Ich geb’ mir die Kugel!
„Einfachheit ist das Resultat der Reife“, hat schon der alte Schiller gesagt. Manchmal stimmt das auch in der Küche. Mein Freund Ralf, er lebt in Italien, hat im Schillerschen Sinne einen hohen Reifegrad erreicht. Er liest meine Geschichten und regte mich kürzlich an, schlichtere Rezepte mit weniger Saucen und Zutaten auszuprobieren – ganz im Stil der italienischen Küchenphilosophie. Ich liebe die italienische Küche auch für ihren Purismus und die wunderbare Qualität ihrer Produkte. Aber natürlich war ich oft genug in Frankreich, um die aufwändigen Kreationen, komplexen Saucen und duftenden Pasteten ebenso zu lieben. Und wenn ich in orientalischen Kochbüchern blättere, weiß ich: hinter den ellenlangen Zutatenlisten und der verschwenderischen Vielfalt der Gewürze steht oft ein sensorisches Erlebnis, das seinesgleichen sucht. In meiner Küche pflege ich also eine gewisse Polyamorie. Im Rahmen dieser kulinarischen Untreue hat das Einfache bei mir aber durchaus einen bedeutenden Platz. Deshalb habe ich Ralf auch versprochen, ab und zu Rezepte mit maximal vier Zutaten vorzustellen. Auf der Suche nach der ultimativen Einfachheit stieß ich kürzlich in einem Kochbuch des großartigen Yotam Ottolenghi auf diesen ganz besonderen Sellerie. Und wenn man das Salz und die paar Esslöffel Olivenöl nicht mitrechnet, haben wir es hier sogar mit nur einer Zutat zu tun:
(3-4 Personen, als Vorspeise)
1 Kopf Sellerie, ca. 1 kg
3 EL Olivenöl
2 TL Salz
Den Sellerie unter fließendem Wasser bürsten, damit alle Reste von Erde entfernt sind. Die Wurzeln großzügig abschneiden. Die Selleriekugel nun mit gutem Olivenöl einreiben und mit Salz bestreuen. Dann setzen wir ihn in eine Auflaufform und schieben ihn im auf 170 Grad Umluft vorgeheizten Backofen auf die mittlere Schiene. Für drei Stunden!
Das war’s. Es ist überraschend, welch köstlicher Duft nach einer halben Stunde bereits die Küche durchzieht. Am Ende schneidet man wie aus einem Kuchen längs Selleriestücke heraus und kann servieren. So intensiv habt Ihr Sellerie noch nie erlebt: Das innere ist ganz zart, leicht süßlich und die Kruste begeistert mit intensiven, erdigen Röstaromen. Das Geschmacksbild des Sellerie wird durch diese Garung ohne Wasser und am Stück unglaublich verdichtet. Mit einem Klecks Kräuter-Crème Fraiche und einem Spritzer Zitrone kann man sich diese Kugel als Vorspeise geben. Wir hatten sie als Beilage zu einem Rumpsteak vom Grill mit einer Sauce Béarnaise. Aber weil wir damit den Pfad der Einfachheit ja schon wieder verlassen würden, stelle ich die Béarnaise ein andermal vor. Mein Freund Ralf wird mir bestimmt verzeihen. À bientôt!