Schlange stehen in Bordeaux
Es ist 11 Uhr vormittags, mitten in Bordeaux vor einem Straßencafé. Mit geschlossenen Augen probiere ich meinen duftenden Café au lait, wie er nur in Frankreich schmeckt. Manchmal denke ich, dass sie die Milch ganz leicht anbrennen lassen und dadurch dieser leichte Karamellgeschmack in den Kaffee hineinkommt.
Als ich glücklich die Tasse absetze und die Augen wieder öffne, bemerke ich, dass sich vor dem Haus nebenan eine kleine Schlange bildet. Erst drei, vier Passanten, die sich vor einer geschlossenen Tür sammeln, dann immer mehr. Allein, zu zweit, in kleinen Gruppen kommen immer weitere Menschen an diesem sonnigen Maimorgen und reihen sich diszipliniert ein. Am Ende sind es zwei lange Schlangen: Eine wächst von rechts entlang eines Boulevards, die andere windet sich von links um das Haus, in das alle rein wollen.
„Entrecôte“, so heißt das eher unscheinbare Restaurant. Hier gibt es nur ein einziges Gericht auf der Karte. Salat mit Nüssen vorweg, dann Steak mit kleinen Streichholz-Pommes und einer geheimnisvollen Sauce. Reservierungen gibt es keine: Wer früh ansteht, bekommt einen Platz. Wie gerne hätte ich dieses Wundersteak getestet, aber die Schlange war inzwischen hoffnungslos lang und um 12, wenn die Türen sich öffnen, sind sofort alle Tische besetzt. 7 Tage die Woche, mittags und abends. Seit Jahrzehnten.
Zum Glück gibt es ein Restaurant gleichen Namens in Berlin, das einige Anleihen beim französischen Original genommen hat und seit 20 Jahren von mir sehr gern besucht wird. Die Karte ist deutlich größer, aber auch hier gibt es exzellentes Fleisch vom immer heißen Grill, dazu machen sie dort eine schmelzende Sauce Béarnaise. Mehr braucht man manchmal nicht. Als mich letztens aus der Vitrine des Metzgers ein wirklich schönes, gut abgehangenes US-Rumpsteak anlächelte, wusste ich, was am Abend auf den Tisch kommen würde:
(Für 4 Personen)
Rumpsteak am Stück, ca. 800 g
3 EL Pflanzenöl
Schwarzer Pfeffer
Fleur de Sel
Für die Sauce Béarnaise:
3 Eigelb, das Eiweiß für ein anderes Gericht verwenden
1,5 EL Zitronensaft
1 Spritzer Weißweinessig
1,3 EL Senf, mittelscharf
1,5 EL Creme fraîche
1,5 EL Ahornsirup (oder 1,5 TL Zucker)
200 g Butter
Getrockneter Estragon nach Geschmack
Fleur de Sel, weißer Pfeffer
Muskatblüte
Für die Fächerkartoffeln:
Pro Person 2-3 mittelgroße Kartoffeln, festkochend
6 EL Pflanzenöl
2 Zehen Knoblauch, feingehobelt
1 Zweig Rosmarin, in fünf Stücke geschnitten
Wenn man dieses Rumpsteak mit Sauce Béarnaise und Fächerkartoffeln ohne Hilfe zubereitet, sollte man alles gut vorbereiten und das Timing der Komponenten im Auge behalten. Also fangen wir mit den Kartoffeln an, die haben die längste Garzeit. Sie werden geschält, an der Unterseite etwas stärker, damit sie „Stand“ haben in der Auflaufform, in die sie gleich kommen. Mit einem sehr scharfen Gemüsemesser jetzt alle 2 mm quer einschneiden, aber nur so tief, dass die Kartoffeln noch zusammenhalten. In einige der Spalten werden jetzt die fein gehobelten Knoblauchscheiben versenkt. Wieviel? Das ist Geschmackssache. Wir haben fünf bis sechs davon genommen. Eine Auflaufform großzügig mit Pflanzenöl einreiben, die Stücke des Rosmarinzweiges und eventuell übrig gebliebene Knoblauchscheiben verteilen, dann die Kartoffeln darauf setzen. Mit einem Pinsel die Kartoffeln nun gut mit Öl bestreichen, so dass auch etwas davon zwischen die Spalten gelangt. Salzen und in das untere Drittel des auf 180 Grad (Umluft) vorgeheizten Backofens schieben. Gepfeffert wird bei Bedarf beim Servieren. In einer Stunde sind die Fächerkartoffeln fertig: Oben wunderbar knusprig, innen weich.
Eine halbe Stunde vor Ende der Kartoffel-Garzeit wandert der Brocken vom Rumpsteak auf den Grill. Zuvor einölen, salzen und mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle bestreuen. Ich habe drei Minuten von jeder Seite scharf angegrillt und das edle Stück dann bei indirekter Hitze (ca. 150 Grad) fertiggegart bis zu einer Kerntemperatur von 58 Grad. Wer keinen Grill hat, schiebt das Fleisch auf der mittleren Schiene zu den Kartoffeln in den Backofen. Wo auch immer unser Rumpsteak seiner zarten Bestimmung entgegengart: Ein Temperaturfühler erleichtert die Arbeit.
Und jetzt noch die Sauce. Diese Sauce Béarnaise ist gewissermaßen eine Blitz-Béarnaise. Das ziemlich aufwendige Original arbeitet mit einer Schalotten-Weißwein-Reduktion, da wird im Wasserbad aufgeschlagen und sie bleibt leider auch nicht immer stabil. Diese Blitz-Béarnaise geht deutlich schneller und ist mir noch nie misslungen.
Also los! Alle Zutaten außer der Butter in ein hohes Gefäß geben und mit einem Mixstab eine homogene Creme herstellen. Die Butter in einer Kasserolle verflüssigen. Ganz kurz aufkochen lassen. Nun den Mixstab wieder einschalten und die heiße Butter nach und nach zügig in das Gefäß mit der Creme gießen. Den Mixstab ca. eine Minute weiterlaufen lassen, während die Sauce immer dichter wird. Fertig. Die Béarnaise kann jetzt abgeschmeckt werden. Zunächst mit getrocknetem Estragon, etwas Salz, weißem Pfeffer. Noch ein Spritzer Essig oder Zitrone und einen Hauch Pulver von der Muskatblüte. Zurück in den Topf, Deckel drauf und bei niedrigster Stufe warmhalten. Wird die Sauce zu dickflüssig, einfach vor dem Anrichten nochmal mit einem Schneebesen kurz aufschlagen.
Bereit für den großen Bistro-Moment? Dann noch schnell – falls noch nicht geschehen – einen Rotwein öffnen, wir hatten einen 2020er Crozes Hermitage. Nun alle Komponenten bereitstellen, das Rumpsteak aufschneiden und mit Sauce und Fächerkartoffeln auf gut vorgewärmten Tellern servieren. Eines Tages werde ich auch mal in der Schlange vor dem „Entrecôte“ in Bordeaux stehen. Ich werde früh da sein und als einer der ersten Gäste meinen Platz einnehmen. Dann werde ich wissen, welche geheimnisvolle Sauce sie dort servieren. Und auch Ihr werdet es dann erfahren. À bientôt!