Huhn trifft Spargel im Bois de Boulogne
Über den Bois de Boulogne wusste ich bis zum 2. Mai 2009 nur, dass es sich dabei um eine ausgedehnte Wald- und Parklandschaft am Rande von Paris handelt. Im Mittelalter Jagdgebiet der Könige, im 19. Jahrhundert Schauplatz frühmorgendlicher Duelle. An diesem Samstagmittag fand ich heraus, wie groß der Bois de Boulogne wirklich ist, weil ich ihn bei drückender Schwüle auf der Suche nach einem Restaurant durchstreifte. Er ist zweieinhalbmal so groß wie der Central Park. Und 2009 waren die Funkverbindungen und leider auch Google Maps noch nicht so beschaffen, dass man sich als Ortsfremder leicht orientieren konnte. Mein Freund Jens und ich suchten das Restaurant „La Grande Cascade“, mitten in diesem Gelände gelegen und nach einem der künstlichen Wasserfälle benannt, die den Park bewässern.
Schwitzend und schwer atmend standen wir irgendwann vor diesem Gebäude, das uns wie eine Zeitmaschine vorkam: Gebaut wie ein riesiger, kulinarischer Wintergarten und seit 1850 Treffpunkt der feinen Pariser Familien. Kellner im Frack, die mit ernstem Gesicht eine Gruppe Navy Blazer tragende, vor dem Restaurant spielende Jungs beaufsichtigten, während die Eltern drinnen noch ihren Kaffee nahmen. Silberne Glocken, die theatralisch und gleichzeitig am Tisch gelüftet wurden, glitzerndes Kristall und riesige Grünpflanzen. Als dann unsere Silberglocken gelupft wurden, lag vor uns ein kleines Kunstwerk auf dem Teller. Die zarteste Hähnchenbrust aller Zeiten, mit grünem Spargel und Morcheln in einer köstlich-intensiven und doch leichten Geflügeljus. Zum Niederknien. Als ich kürzlich einen Bund grünen Spargel in der Hand hatte, blitzte diese Erinnerung auf und hier kommt nun meine Version von diesem Frühlingstraum:
(für 2 Personen)
2 französische Maishühnchenbrüste bester Qualität
8 Stangen Spargel, jeweils in vier Stücke geschnitten
3 Mairübchen, geschält und gewürfelt
eine Hand voll Erbsen, am besten frisch gepalt oder tiefgekühlt
eine kleine Hand voll getrockneter Morcheln, 2 Stunden gewässert, trockengetupft und die großen Exemplare halbiert
1 Karotte, fein gewürfelt
6 Frühlingszwiebeln, geputzt, die Köpfe am Stück gelassen und die Stängel in Ringe geschnitten
2 Zehen junger Knoblauch, grob gewürfelt
300 ml Geflügelfond, auf die Hälfte eingekocht
1 TL Crème Double
5 EL Madeira
3 EL Sahne
1 großer Zweig frischer Estragon
Weißer Pfeffer
Fleur de Sel
Da ich keinen Dampfgarer besitze, hänge ich immer ein Nudelsieb aus Metall in einen großen Suppentopf, in dem sich kochendes Wasser befindet. In das Sieb kommen die Würfel der Mairübchen sowie die Spargelstücke und werden 10 Minuten im heißen Dampf bei geschlossenem Deckel gegart. Die Köpfe der Spargel und der Frühlingszwiebeln kommen erst nach 5 Minuten für den Rest der Garzeit hinzu. Die Erbsen dürfen dann die letzten 3 Minuten dabei sein. Das Gemüse anschließend in Eiswasser abschrecken – so behält es seine frische Farbe – und in einer Schale beiseite stellen.
Weiter geht´s. Die gesalzenen und gepfefferten Hähnchenbrüste in einer Pfanne von beiden Seiten bei mittlerer Hitze anbraten, bis die Haut goldgelb und knusprig ist. Jetzt mit einem Temperaturfühler in einer Schale in den auf 120 Grad vorgeheizten Backofen setzen, wo die Brüstchen auf die die notwendigen 71 Grad warten. Dann sind sie durch, aber noch schön saftig. In der Pfanne die Morcheln und die Scheibchen der Frühlingszwiebeln in reichlich Butter andünsten, nach 5 Minuten den zarten Knoblauch dazugeben. Nach weiteren 2 Minuten mit dem Madeira ablöschen und den Geflügeljus angießen. Ein paar Minuten köcheln lassen, Sahne und Crème Double einrühren, die Hälfte des Estragons zugeben und das Ganze mit Salz und weißem Pfeffer abschmecken. Die Sauce jetzt auf niedrigster Temperatur warmhalten, denn gleich ist es soweit. Fünf Minuten, bevor die Hühnerbrüste gar sind, die Schale mit dem Frühlingsgemüse zum Erwärmen in den Backofen zum Huhn schieben. Fertig. Mit dem Anrichten kann man sich dann mit den feinen Sachen etwas Mühe geben, zum Schluss wird das Wunderwerk mit dem restlichen Estragon bestreut.
Frau Knauber hat diesen Frühlingsteller auch ohne Silberglocke geliebt. Nicht eine kleine Erbse blieb übrig – der Saucenlöffel wurde genüsslich abgeschleckt. Und das ganze ohne Google Maps und Navi. À bientôt!