Wiedergutmachung mit Steinpilzen
„Die sehen aber gut aus!“, sagte Frau Knauber und zeigte entzückt auf einen Korb frischer Steinpilze bei unserem Gemüsehändler Angelo im Urlaub an der Adria. „Ja, toll. Aber heute wird gegrillt und die Steinpilze laufen uns ja nicht weg, die wird er übermorgen auch wieder haben“, antwortete ich. Hatte er aber nicht. 14 Tage später und zurück in Deutschland wollte ich die Scharte auswetzen und begab mich zu Karstadt in der Hoffnung auf frische Steinpilze. Wieder Fehlanzeige. Da ich Frau Knauber und ihrer Mutter aber Tagliatelle mit den leckeren Knollen versprochen hatte, wollte ich stattdessen auf die getrockneten Exemplare ausweichen. Sie stehen bei Karstadt nicht übersichtlich zusammen, sondern an drei verschiedenen Stellen. An allen drei Destinationen, in der Gemüseabteilung, bei den Gewürzen und bei den Antipasti hätte ich reichlich getrocknete asiatische Pilze, Pfifferlinge oder andere obskure Sorten mitnehmen können, die mir gänzlich unbekannt waren. Aber wo „Steinpilze“ am Regal geschrieben stand, herrschte überall gähnende Leere. „Bei Angelo hättest Du sie letztens mitnehmen sollen“, kommentierte Frau Knauber die Änderung des Küchenplans.
Wenn man etwas wieder gutmachen will, kann das manchmal zu Übertreibungen führen. Als wenige Tage später ein von mir im Internet bestelltes, größeres, dennoch sehr leichtes Päckchen eintraf, schaute Frau Knauber mich fragend an. Darin fanden sich 400 Gramm getrocknete Steinpilze sowie ein Döschen Steinpilzpulver. Das entspricht etwa der üppigen Menge von 4-5 Kilogramm frischen Pilzen. Frau Knauber brauchte nichts zu sagen, die hochgezogenen Augenbrauen genügten. Als ich dann am Abend dieses Wildschweingulasch mit Steinpilzen, Pflaumen und Speck auf den Tisch stellte, war die Wiedergutmachung jedoch ziemlich perfekt. Und das ging so:
(2 Personen)
700 g Wildschweingulasch, Kantenlänge 4-5 cm
600 ml Bratenfond aus dem Glas, auf 2/3 eingekocht
100 ml Marsala
100 ml Rotwein (Côtes du Rhône)
100 g leicht geräucherter Bauchspeck, grob gewürfelt
10 getrocknete Pflaumen
60 g getrocknete Steinpilze
1 weiße Zwiebel, mittelfein gewürfelt
2 Zehen Knoblauch, geschält und geachtelt
1 Bund Suppengrün (Lauch, Sellerie, Karotten, Petersilie), mittelfein gewürfelt, die Petersilie fein gehackt
2 EL Tomatenmark
2 Lorbeerblätter
4 Wacholderbeeren
2 Pimentkörner
2 EL Balsamico
Fleur de sel
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Zuerst werden die getrockneten Steinpilze 2 Stunden in lauwarmem Wasser eingeweicht. Danach durch ein feines Sieb abgießen, das Wasser dabei auffangen. Die Steinpilze zwischen 2 dicken Lagen Küchenpapier trocknen, sie werden später weiterverarbeitet. Die aufgefangene Steinpilz-Flüssigkeit währenddessen auf eine Espressotasse Steinpilz-Sud einkochen und für später bereitstellen. Dieser Sud ist jetzt hoch aromatisch und wird am Ende der Sauce den letzten Schliff geben. Dann wird erstmal viel geschält, geschnippelt und gewürfelt. Ale erstes werden die Wildschweinwürfel gesalzen, gepfeffert, scharf angebraten und wieder aus dem Gusstopf genommen. Dann die Speckwürfel zunächst scharf anrösten und danach die Würfel von Zwiebeln und Suppengrün hinzugeben und bei geschlossenem Deckel mit etwas Pflanzenöl mindestens 10 Minuten dünsten, dabei ab und zu rühren. Das Tomatenmark in den Topf geben und die Temperatur hochziehen. Mit dem Marsala ablöschen, einkochen lassen. Dann den Rotwein angießen und wieder etwas einkochen lassen. Jetzt kommt der Fond dazu, ebenso die Pflaumen, Lorbeer, Wacholder und Piment. Nun den Deckel drauf und für 2 Stunden in den auf 140 Grad vorgeheizten Backofen setzen.
Nach dieser Garzeit den Inhalt des Gusstopfes durch ein Sieb in einen Topf abgießen, Gulaschwürfel, Speck und Pflaumen mit einer Zange herausfischen und den Inhalt des Siebs mit einem Kochlöffel gut auspressen. Die Sauce, das Fleisch, der Speck und die Pflaumen kommen und wieder in die wundervolle Sauce zurück. Die Steinpilze werden nun 5 Minuten in Butter mit der gehackten Petersilie bei mittlerer Hitze angebraten und kommen dann mit in den Gulaschtopf. Das Ganze wandert bei geschlossenem Deckel eine weitere Stunde in den Backofen, die Hitze reduziere ich auf 120 Grad.
Zum Schluss hat das Gulasch auf dem Herd sein Finale: Den Steinpilzsud zum Gulasch gießen, aufkochen und mit Fleur de sel und Pfeffer abschmecken. Die Pflaumen sind in der Zwischenzeit weitgehend zerfallen und geben der Sauce bei aller Deftigkeit eine feine Süße, die ich mit einem Schuss Balsamico etwas ausbalanciere. Im Laufe der letzten Stunden wurden viele Siebe, Töpfe, Pfannen und Kasserollen eingesetzt, aber in der langen Garzeit kann man das nebenher problemlos spülen und wegräumen. Zum Schluss bleibt auch noch die Zeit, einen kleinen Topf mit Pasta, zum Beispiel Fusilli giganti, anzusetzen, die das Gulasch auf dem Teller begleiten werden.
Jetzt wird serviert. Das Gulasch ist wunderbar zart, die Sauce duftet traumhaft. Die Aromen von Gemüse, Pflaumen, Speck und Steinpilzen haben sich perfekt verbunden und dazu passt wie so oft bei Wild ein Spätburgunder, aber auch der Cotes du Rhone, der für die Sauce Verwendung fand, ist eine schöne Begleitung. Frau Knauber war tatsächlich glücklich versöhnt. Nicht, dass sie es so deutlich gesagt hätte. Aber wenn sie sich nach dem Essen in der Küche mit einem Löffel an die Reste der Sauce heranschleicht, verstehe ich das auch ohne Worte. À bientôt!