Über den Spargel, das Elsaß und köstlichen Konservatismus
Die eingeschworenen Fans der verschiedensten deutschen Spargelregionen müssen jetzt ganz stark sein: Den besten Spargel meines Lebens bekam ich in Hoerdt, einem kleinen Ort kurz vor Straßburg. Von Saarbrücken aus fährt man die 114 km in etwas mehr als einer Stunde, was recht gut beschreibt, wozu ein Saarländer für ein besonderes Essen bereit ist. Genaugenommen ist Hoerdt eigentlich gar kein Ort, sondern eine Straßenkreuzung, inmitten von Spargelfeldern, mit einer Autobahnabfahrt. An jener Kreuzung befindet sich seit Jahrzehnten das Restaurant “À La Charrue”. Dieses Haus ist ein wundervolles Beispiel für den durch und durch konservativen Ast am üppigen Baum der französischen Gastronomie. Die Speisekarte sieht heute noch exakt so aus wie vor 25 Jahren, als ich erstmals dort war. Also nix mit Schäumchen, Pacojet-Zaubereien und Ceviche. Solch konsequente Modernisierungs-Verweigerung kann man nur mit einem absolut überzeugenden Produkt durchziehen. Dieses Produkt wächst vor der Haustür und ist erstklassig. Schön, dass es das noch gibt.
Das Konzept in der “Charrue” ist simpel: Pro Person wird nicht mehr und nicht weniger als ein Kilogramm Spargel serviert. Das klingt zunächst einmal etwas einschüchternd, die Menge bezieht sich aber auf die Rohware, also vor dem Schälen. (Dann ist es immer noch viel, vor allem im Vergleich mit der in Berlin grassierenden Frechheit, drei kümmerliche Stängelchen zu einem trockengebratenen Bio-Schnitzelchen zu reichen und dafür 26 Euro zu verlangen!) Serviert werden die zarten Stangen während der Mahlzeit in Hoerdt zweimal, so bleiben sie warm und man freut sich schon auf den Nachschub. Dazu kann man dann zwischen verschiedensten exquisiten Ergänzungen wählen: dreierlei Schinken, ein in Salzbutter gebratener bretonischer Hummer, Filets oder Entrecote, Hollandaise, Vinaigrette und für ganz Verwegene sogar Pommes Frites. Wahrscheinlich ist das dann der Kinderteller. Der Sommelier hält dazu eine immense Auswahl der besten Rieslinge vor, die das Elsaß zu bieten hat. Ich kann nur jedem raten, der mal in der Gegend ist oder in Straßburg zu tun hat: Fahrt! Nach! Hoerdt! Ihr werdet wundervolle Stunden in gediegener Umgebung erleben, umsorgt von freundlichen, sehr professionellen Menschen, die genau wissen, was sie tun. Danach hat man dann nicht nur wundervoll gespeist, sondern auch etwas Wichtiges über das Elsaß gelernt. Nämlich, dass sie es absolut draufhaben. Und über Spargel. Nämlich, dass ein wirklich gutes Grundprodukt nicht viel Schnickschnack braucht, souverän die Hauptrolle auf dem Teller übernehmen kann und lediglich einfache, dafür aber wirklich allerbeste Beilagen braucht.
So. Jetzt sind wir zurück aus dem Tagtraum vom Elsaß und müssen uns wieder selber ums Essen kümmern. Da der Spargel einen gewissen Konservatismus am Herd geradezu herausfordert, bietet auch die Zubereitung traditionell nicht sonderlich viele Varianten. Er wird lediglich gekocht, gedämpft, gebraten oder geschmort. Mit Braten habe ich keine guten Erfahrungen gemacht, zumindest was weißen Spargel betrifft. Das Ergebnis war oft außen zu verbrannt, innen noch hart und konnte mich bisher nie überzeugen. Kochen ist der normale Weg zum Ziel. Kann man machen. Mache ich aber nicht mehr, seit mein Freund Matthias mir geschmorten Spargel näher gebracht hat. Dazu werden die Stangen wie üblich geschält, in eine Auflaufform geschichtet, mit sehr (!) vielen Salzbutter-Stückchen, einer Prise Zucker und einer Prise Salz 50 Minuten bei 200 Grad im Backofen gegart. Die Auflaufform wird dabei möglichst dicht mit Alufolie abgedeckt. Je nach Dicke sind die Stangen dann gar, von perfekter Konsistenz und schmecken so intensiv nach Spargel, wie man es zuvor noch nie erlebt hat. Was sich dann am Boden Auflaufform gesammelt hat, ist eine wirklich köstliche Butter-Spargel-Essenz, die den Einsatz jeder Sauce völlig obsolet macht.
Irgendwann in der Saison kommt dann bei aller Delikatesse unseres Edelgemüses ein Punkt, wo man denn doch ein bisschen variieren möchte. Wenn nach dem Essen tatsächlich noch einige Stangen übrig geblieben sind, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass dieser Zustand erreicht ist. Solche Reste habe ich dann schon mal zu Spargel-Erdbeer-Salat verarbeitet mit einer Vinaigrette aus Olivenöl, weißem Balsamico und etwas Orangensaft.
Eine andere nette, nicht nur farblich italienisch daherkommende Variante macht sich gut auf dem Grillbuffet oder als Vorspeise:
10 Stangen weißer Spargel
20 Stangen dünner grüner Spargel
10 Scheiben Parmaschinken
Parmesankäse, frisch grob geraspelt
(Parmesan kann auch durch Gruyère ersetzt werden)
Ins Kochwasser kommt etwas Salz, ein bisschen Zucker und ein Schuß Estragon-Essig. Den Spargel schälen und fast gar kochen, ganz leicht salzen und pfeffern (weiß!). Jeweils eine weiße und zwei grüne Stangen in eine Scheibe Parmaschinken einrollen. Die Päckchen nebeneinander in eine gebutterte Auflaufform schichten und mit frisch geriebenem Parmesan überstreuen. Bei 250 Grad gratinieren, bis der Käse gebräunt ist. So. Jetzt geh’ ich mal einkaufen. Und im Unterschied zu meiner Frau wisst Ihr jetzt auch schon, was. À bientôt!
p.s.: Außerhalb der Spargelsaison sollen sie in Hoerdt die elsässischen Klassiker anbieten, von Baeckeoffe bis Choucroute. Sicher auch sehr gut. Aber das werde ich wahrscheinlich nie herausfinden. Wer nach Hoerdt in den Spargel-Himmel möchte, sollte unbedingt reservieren, und zwar wirklich einige Wochen im Voraus! www.lacharrue.fr
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Hachenberg Eugen W. 14. Mai 2017 @ 9:49
Tja, dem Thema Spargel ist hier nichts hinzuzufügen. Der “Charrue” bleibt unerreicht. Ergänzend vielleicht die Herbst-Wintersaison mit fantastischen Wildspezialitäten. Auch immer wieder!
Eugen W. Hachenberg, Köln und Saarlouis.
Thine 13. Mai 2017 @ 15:58
Was gibt’s heute zu essen???