Eiskalt gegart für heiße Tage
Unser kulinarisches Gedächtnis ist kurz. Wer erinnert sich noch an die Molekularküche? Ja, das war das mit den vielen Gelees und den Kügelchen, die wie Kaviar aussehen, aber nach Melone schmecken. Das war kurz nach dem Sous-Vide-Garen und kurz vor den allgegenwärtigen Bowls. Und ganz, ganz kurz vor der skandinavischen Küche, wo Mose und Farne auf dem Teller landeten und munter gebeizt und fermentiert wurde. Dann kam das Craft-Bier und die Hipster-Küche und jetzt ist ja alles irgendwie vegan, sogar das Mineralwasser. Hinter diesen Trends, die die Speisekarten manchmal global infizieren wie eine kulinarische Pandemie, stecken oft millionenschwere Marketingbudgets. Es geht in Wirklichkeit bisweilen darum, neue Küchengeräte populär zu machen, Touristenströme in bestimmte Regionen zu lenken oder quasi im Huckepack-Verfahren Lifestyleprodukte oder sogar Möbel an den Mann zu bringen.
Ganz ohne Marketingbudget und neue Geräte schaffte es vor ein paar Jahren Ceviche in unsere Küchen. Bei diesem Nationalgericht aus Peru wird frischer, kleingeschnittener Fisch mit Limettensaft kalt gegart. Der Fisch schmeckt wie pochiert, bleibt aber zart und behält seinen Eigengeschmack. Frau Knauber erinnerte mich an einem heißen Sommertag kürzlich daran, dass ich vor etwa vier Jahren sehr viel damit experimentiert hatte. So ist das manchmal mit Kochtrends. Sie geraten in Vergessenheit, wenn die nächste Trend-Welle anrollt. Aber manches davon bleibt in unserem kulinarischen Gedächtnis hängen, in diesem Falle bei Frau Knauber und sie wünschte sich mal wieder mein Ceviche von der Jakobsmuschel. Gesagt, getan.
(für 2 Personen, als Zwischengericht)
12 große, sehr frische Jakobsmuscheln, in nicht zu dünne Scheiben geschnitten
1 rote Chilischote, gewaschen und ohne Kerne fein gehackt
½ rote Zwiebel, in feinste Scheiben gehobelt
1 kleine Zehe Knoblauch, fein gewürfelt mit dem Knoblauchschneider
½ grüne Paprikaschote, fein gewürfelt
2 Stangen Staudensellerie, geschält und fein gewürfelt
10 Zweige Koriandergrün, fein gehackt
Saft von 2 Limetten
1 Schuss milder Weißweinessig
1 Schuss sehr gutes Olivenöl (sollte maximal einem Drittel der Menge des Limettensaftes entsprechen)
Fleur de sel
Schwarzer Pfeffer
Piment d’Espelette
Zesten einer Bio-Zitrone
Aus dem Limettensaft, dem Olivenöl, dem Knoblauch, Salz, Pfeffer und Piment d’Espelette ein Dressing herstellen. Die Scheiben von der Jakobsmuschel, die Gemüsewürfel und die Zwiebelscheiben damit begießen, alles vorsichtig vermischen und 2 Stunden abgedeckt im Kühlschrank ziehen lassen. Zwischendurch einmal umheben, damit alles gleichmäßig mit dem Limettensaft in Berührung kommt. Die kalte Garung des Fisch-Eiweißes läuft bei 5 Grad im Kühlschrank ab und so hat man am Ende bei minimaler Küchenarbeit nicht nur ein köstliches Gericht, es ist an einem heißen Tag auch eine erfrischende Überraschung.
Jetzt nehmen wir die Schüssel aus dem Kühlschrank und schmecken unser Ceviche ab. Ein Schuß milder Weißweinessig, noch etwas Salz und vor allem: Die fein gehackten Korianderblätter, die zusammen mit dem Limettensaft dieser südamerikanischen Spezialität ihren unverwechselbaren Geschmack geben.
Mit sehr zart gesalzenen Cocktailtomaten anrichten und servieren. Wie gut das kulinarische Gedächtnis von Frau Knauber funktioniert, konnte ich bei Tisch erleben. Sie schaute den appetitlichen Teller an. Sie schaute mich an. „Da fehlen aber die Zitronenzesten.“ Die hatte ich tatsächlich vergessen (weshalb sie auch nicht auf dem Foto sind), aber Frau Knauber hatte recht: Sie geben diesem Ceviche einen tollen, zusätzlichen Kick.
p.s.: Der Name Ceviche leitet sich von „siwichi“ ab, was in der Sprache der Indios zarter oder frischer Fisch bedeutet. Und das ist ein wichtiger Hinweis, denn nur allerbeste, frische Ware darf in die Marinade!