Durchgedrehte Ente und ein Hauch Orange
Wenn wir über Bouletten reden, dann müssen wir auch über Frau Knauber reden. Denn ich kann kleinere Tiere zerlegen, ich kann kochen, grillen, flambieren und notfalls auch Pasteten herstellen. Aber den Fleischwolf zusammenbauen, das kann nur Frau Knauber. Es handelt sich nämlich um einen Rowenta-Fleischwolf aus gefühlt 71 Teilen, dessen Aufbau nur mit weiblichem Multitasking zu bewältigen ist. Und ich musste sie kürzlich wieder bitten, denn letzte Woche war es soweit: Kinderkochen mit unserem Patensohn samt Vater und Onkel. Also eigentlich Männer-Kochen. Und es sollte Bouletten geben. Je nach Region auch Frikadellen, Fleischpflanzerl, Laberl oder ganz abgefahren „Hackepillus“ genannt. Das Kinderkochen wäre sicher ein noch größerer Erfolg gewesen, wenn die Onkels und der Vater konsequenter darauf geachtet hätten, dass das Kind nah an der Küchenarbeit und die Schokolade im Schrank bleibt. Der Hit war natürlich der Showeffekt der Hackfleisch-Herstellung. Und dann natürlich das fröhliche Kneten der Hachfleischmasse mit Ei, Majoran, Paprika und Pfeffer, Knoblauch, Zwiebeln, Senf und Petersilie. Am Ende hatten wir über 40 klassische halb-und-halb-Bouletten. Zehn ließen wir uns frisch aus der Pfanne schmecken, mit Salat und Ofenkartoffeln. Den Rest konnten wir in doggy bags auf drei Haushalte verteilen.
Geschafft. Nach dem fröhlichen Treiben erstmal hinsetzen für einen kühlen Ricard. Dabei taucht ein Gedanke auf – und der erscheint mir mit jedem Schluck Ricard reizvoller. Weil der Fleischwolf schon mal da ist, könnte ich nämlich einen schon länger gehegten, immer wieder verschobenen Plan umsetzen: Frikadellen von der Ente, dazu Entenkeule und das Ganze in einer wunderbaren Orangensauce! Und das ging so:
2 Entenkeulen
für die Enten-Frikadellen:
3 Entenbrüste (mittelgroß)
1 Ei
80g fetter Speck, in mittelgroße Würfel geschnitten
Zesten von 1 Orange, die Hälfte davon mittelfein gehackt
1 Tasse Semmelbrösel
1 Handvoll Petersilie, feingehackt
Quatre épices (französische Gewürzmischung, meist aus aus Pfeffer, Ingwer, Zimt und Muskatnuss)
Terijaki-Sauce
Orangenpfeffer (Spice Islands),
Schwarzer Pfeffer
Salz
Für die Orangensauce:
800 ml Entenfond
Eine Espressotasse Bitterorangen-Essig (von Maille)
2 Löffel Bitterorangen-Marmelade
1 Espressotasse Sahne
Orangenpfeffer
Schwarzer Pfeffer
4 EL Zucker
1 Kaffeetasse weißer Port (trocken)
Demi glace (stark reduzierter Kalbsfond)
Salz
Als erstes die Entenkeulen salzen, pfeffern, goldgelb anbraten und bei 140 Grad in einem kleinen Gusstopf mit geschlossenem Deckel mindestens zweieinhalb Stunden im Backofen verschwinden lassen.
Die Entenbrüste vom Fettdeckel befreien. Das Fett in Rauten schneiden, in einer Pfanne knusprig ausbraten und auf Küchenkrepp beiseite stellen. Diese Entenhaut-Chips sind nachher eine schöne Deko beim Servieren. Nun die Entenbrüste grob würfeln, mit den Speckwürfeln mischen und unter Verwendung einer Matritze mit mittlerer Lochstärke durch den Fleischwolf drehen. Die Masse dann mit den Semmelbröseln, den Orangenzesten, einem Schuß Terijaki-Sauce, ordentlich Orangenpfeffer, schwarzem Pfeffer, Petersilie, Salz und Ei verkneten. Ein Hauch Quatre Épices darf vorher auch noch dran. Jetzt kleine Frikadellen von ca. 60 Gramm formen und bei mittlerer Hitze in viel Butterschmalz knusprig von allen Seiten braten. Bis zum Anrichten in einer Auflauf-Form im Ofen zwischenlagern.
Eine halbe Stunde vor dem Ende der Garzeit unserer Keulen ist die Sauce dran, und da kommt es auf Konzentration und Feingefühl an. Zunächst den Zucker in einem kleinen Topf zu dunklem Karamell schmelzen lassen und mit dem Essig abslöschen. Dabei entsteht ein zähflüssiger Essig-Karamell-Sirup. Falls die Zuckermasse sich beim Ablöschen zu stark abkühlt und teilweise fest wird, kann man mit dem Schneebesen nachhelfen. Voilà. Nun den trockenen Port angießen und einkochen lassen. Dann den Entenfond hinein und wiederum einkochen lassen, bis die gewünschte Intensität erreicht ist. Jetzt kommt der sensible Teil. Einen Löffel Orangenmarmelade hinzugeben. Oder auch zwei, wenn es dann nicht zu süß wird. Nun ein Schuß Sahne. Pfeffern, salzen, abschmecken. Vielleicht noch ein halbes Löffelchen demi-glace hinein, das gibt der Sauce mehr Tiefe und Intensität. Ist der perfekte Zustand erreicht, geben wir die restlichen Orangenzesten hinzu, binden die Sauce, zum Beispiel mit eiskalten Butterstückchen. Deckel drauf und bei niedriger Temperatur warmhalten.
Die Keulen jetzt bei geöffnetem Deckel im Backofen noch ein wenig übergrillen und dann gemeinsam mit den Entenfrikadellen und den ausgebratenen Haut-Ecken von der Entenbrust anrichten. Dieser Teller macht Spaß: Die Frikadellen schmecken intensiv nach Ente, haben dabei geschmacklich einen schönen Hauch von würziger Orange, der von der Sauce noch etwas intensiver reflektiert wird. Zusammen mit der klassisch geschmorten Keule hat man damit eine schöne Variation des watschelnden Wasservogels vor sich! Und das alles Dank Frau Knauber, weil sie manchmal (und eigentlich gar nicht sooo selten) kann, was ich nicht kann.
p.s.: Wen der „Hackepillus“ interessiert: Diese Spielart der Frikadelle (aus Schwein oder Hammel sowie Schmand und Zwiebeln) gibt es in der „goldenen Mark“, einem schönen Landstrich rund um Duderstadt im Eichsfeld. Und das weiß ich nicht, weil ich es gegoogelt habe, sondern weil meine Mutter von dort stammt. Übrigens haben die Entenfrikadellen am nächsten Tag aus dem Kühlschrank noch viel besser geschmeckt, 24 Stunden Durchziehen brachte erstaunliche Wirkung. Deshalb: Klarer Fall für eine Paté! Ich bleibe am Ball.