Aïado! Wenn der Knoblauch König ist …
Wenn ich nach einem Urlaub in der Provence zuhause den roten Koffer aufklappe, ist es schöner als Weihnachten. Im roten Koffer sind nämlich alle – meist essbaren – Mitbringsel aus dem Land der Zikaden. Binnen Sekunden ist die ganze Wohnung erfüllt von wundervollen Düften. Es ist fast so, als ob all die Kräuter, die Gewürze, die Tapenade vom letzten Markttag in Sault, die Würste, der Honig und das Nougat – im Koffer ungeduldig zusammengepresst – nur darauf gewartet hätten, explosionsartig die Berliner Wohnung in Besitz zu nehmen. Der König dieses duftenden Ensembles ist natürlich der Knoblauch, von dem wir immer einen oder besser zwei geflochtene Zöpfe auf die Heimreise mitnehmen. Mit Knoblauch meine ich nicht das kümmerliche, vertrocknete Zeug, was bei uns im Supermarkt mickrig herumliegt. Nein, ich rede hier von den prallen, saftigen, violetten Knollen, die beinahe platzen vor Würze und Kraft. Und die gibt es so nur in der Provence ab Juni auf den Märkten.
In nördlicheren Gefilden wird Knoblauch wegen des Atems am Folgetag oft nur selten und dann sehr sparsam dosiert. Im Süden Frankreichs steht er teilweise im Mittelpunkt (Aïoli) oder wird gar in üppigen Mengen wie ein Gemüse eingesetzt. Als ich vorgestern beim Einkaufen plötzlich und unerwartet mitten in Berlin die dicken, violetten Dinger vor mir liegen sah, griff ich begeistert zu. Ich hatte nämlich gerade mal wieder in Monique Lichtners fantastischem Buch „La cuisine provencale“ geblättert. Vor über zwei Jahrzenten habe ich mit diesem Buch Kochen gelernt und stoße immer noch auf Rezepte, die ich bislang nicht ausprobiert habe. Zum Beispiel das klassische „Aïado“. Das ist eine gerollte Lammschulter, gefüllt mit Petersilie und Knoblauch. Und dazu gibt es eine wirklich einzigartige Knoblauchsauce.
(Für 4 Personen)
1 Lammschulter, entbeint, ca 1,3 kg
3 dicke Zehen Knoblauch, feingehackt
1 kleiner Bund glatte Petersilie, feingehackt
3 EL Semmelbrösel
5 EL bestes Olivenöl
Salz und Pfeffer (schwarz)
1 EL Kräuter der Provence
Für die Knoblauchsauce:
500 ml Geflügelfond
6 dicke Knoblauchzehen, geschält (Monique Lichtner nimmt 15 bis 20! Beim ersten Mal hat mir dazu der Mut gefehlt, aber eines Tages traue ich mich, Madame!)
2 EL Crème fraiche, besser: Crème Double
Salz und Pfeffer (weiß)
Das Fleisch der Schulter auf einer Arbeitsplatte ausbreiten, mit Küchenpapier abtupfen, mit etwas Öl gut einreiben und von beiden Seiten salzen und pfeffern. Dann Knoblauch, Petersilie, Semmelbrösel und Öl zu einer dichten Paste vermischen und diese auf der Innenseite des Lammfleischs verteilen. Das Fleisch jetzt so zusammenklappen und mit Rouladennadeln fixieren, dass es in einer geschlossenen Form bleibt. Zusätzlich mit reichlich Metzgergarn so binden, dass wir einen kompakten Braten vor uns haben. Der wird noch mit den Provencekräutern bestreut und kommt jetzt in den auf 150 Grad vorgeheizten Backofen. Ein halbes Glas Wasser dazugießen. Nach zwei Stunden wird die Hitze für weitere zwei Stunden auf 100 Grad reduziert.
Die Sauce ist so einfach wie genial. Die Knoblauchzehen werden mit geschlossenem Deckel im Geflügelfond weich gekocht. Dann kommt der Pürierstab zum Einsatz, und zuletzt arbeite ich mit dem Schneebesen noch die Crème Double und ein wenig gehackte Petersilie ein. Salz, Pfeffer, fertig! Diese Sauce hat eine überirdische, tiefe Würzigkeit, die sich unglaublich schön mit dem zarten, saftigen Lamm verbindet. Das fanden auch unsere lieben Nachbarn Petra und Georg, mit denen wir nicht nur in der Coronazeit sonntags am Gartenzaun schon mal ein Glas Sekt trinken und gestern gemeinsam ein sozial distanziertes Abendessen hatten. Gemeinsam haben wir wahrscheinlich heute auch eine amtliche Knoblauchfahne. Aber wir hatten Aïado! À bientôt.
p.s.: Zum Kochbuch von Monique Lichtner geht es hier: http://cms.musee-lichtner-aix.com/index.php/de/shop-de/product/3-la-cuisine-provencale
Ich kann es nicht oft genug empfehlen und danke ihr von Herzen!