„Will man in England gut essen, sollte man dreimal täglich frühstücken“, das erkannte schon William Somerset Maugham (1874–1965). Gilt das wirklich für ganz England? Nun ja, die einen sagen so, die anderen sagen so. Prinzipiell bevorzuge ich Urlaub in klassischen Weinbaugebieten. Dort ist meist schönes Wetter und man isst gut, und zwar vom Dorfgasthaus bis zur Sterneküche. Weder für Weinbau, gutes Wetter oder gute Küche ist England bekannt. Diese Sachlage und viele persönliche England-Berichte aus dem Freundes- und Bekanntenkreis haben mich von der großen Insel bisher ferngehalten.
Vor wenigen Jahren dann wollte ich meine Fähigkeiten in der Beherrschung der englischen Sprache auffrischen und durfte mir arbeitgeberseitig einen zweiwöchigen Intensiv-Sprachkurs im englischsprachigen Ausland aussuchen. Von tiefem kulinarischem Misstrauen erfüllt, begann ich meine Recherchen. Wer England aus erwähnten Gründen meiden will, der sucht sich in der Regel eine Sprachschule auf Malta. Diese Aussicht konnte meine Sorge um das gastronomische Niveau des geplanten Aufenthaltes allerdings kaum mindern. Plastisch sah ich mich schon in einer Bettenburg in Valetta am all-you-can-eat-Buffet mit übernächtigten Discogängern nach blassen Bouletten mit Eisberg-Salat anstehen …
Eines Tages kam mir ein rettender, wunderbarer Geistesblitz! Es gibt einen Ort, an dem man zwar Englisch sprechen und lernen kann, zugleich aber auch speist wie in der Bretagne. Und das heißt vor allem Fisch und Meeresfrüchte: die Kanalinsel Jersey, nur ein Wellenplätschern von Saint Malô entfernt. Noch besser war, dass meine damalige Verlobte angesichts dieser netten touristischen Aussicht kurzerhand beschloss, mich dorthin zu begleiten. Und so kam es, dass sich in zwei Wochen auf der grünen Insel mit dem milden Golfstrom-Klima nicht nur meine Sprachkompetenz erheblich steigerte, sondern inmitten der Fülle maritim-kulinarischer Schätze auch mein Küchenrepertoire erweiterte.
Nebst anderen, später zu berichtenden Schmankerln vertiefte sich nach stundenlangem Exerzieren unregelmäßiger Verben zum Beispiel die Leidenschaft für frische Rochenflügel, in einer delikaten Kapernbutter serviert. Der Rochen hat langfasriges, zartes, weißes und sehr aromatisches Fleisch und in der Mitte eine geschlossene, glasige Grätenplatte, weshalb er nicht kompliziert zu essen ist.
Einige Zeit nach unserem Inselleben wagte ich mich erstmals selber an die Rochenflügel. Eine besondere Gelegenheit, denn sie sind an den mir üblicherweise zugänglichen Fischtheken nur selten erhältlich. Bei manchen Fischen kann man ja notfalls kleine Kompromisse machen, aber ein nicht mehr ganz frischer Rochen bleibt auch in der exquisitesten Sauce ein nicht mehr ganz frischer Rochen. Und das merkt man. Also: Nase auf beim Rochen-Kauf! Spürt Ihr einen leicht schwefligen Duft, sollte es zum Abendessen doch besser Kabeljau geben.
2 Rochenflügel à 250 g (dunkle Haut abziehen lassen)
100 g gesalzene Butter
50 g Kapern, gerne die trocken gesalzenen, abgespült und trockengetupft
1 Tasse Petersilie, feingehackt
Saft von einer Zitrone
Fleur de sel, weißer Pfeffer (am besten wieder „Melange blanc“ von Ingo Holland)
Für die Bouillon:
3 Liter Wasser
40 cl Weißweinessig
1 1/2 Teelöffel Fenchelsamen
1 Teelöffel Pfefferkörner
1 1/2 Teelöffel Fleur de sel
2 Karotten, kleingeschnitten
1 kleine Zwiebel, kleingeschnitten
Zu Beginn die Bouillon mit den Zutaten ein paar Minuten aufkochen lassen und anschließend auf Siedetemperatur zurückschalten. Die Rochenflügel dann in die Bouillon gleiten lassen und acht Minuten sachte ziehen lassen, vorsichtig herausheben und trockentupfen.
Nun etwas Butter in eine große Pfanne geben, die Rochenflügel leicht salzen, pfeffern und einmal in Mehl wenden. In der Pfanne werden sie jetzt nacheinander auf beiden Seiten bei mittlerer Hitze gebraten, bis sie eine leicht goldgelbe Farbe annehmen. Die Flügel danach im Backofen warm halten.
Die restliche Butter in die Pfanne geben (mittlere Hitze) und leicht schäumen lassen. Petersilie und Kapern dazugeben. Die Kapern müssen in der heißen Butter ein wenig frittiert werden, damit sie leicht knusprig werden, ihren markanten Eigengeschmack aber behalten. Zitronensaft dazugeben. Wenn sich alles zu einer Sauce verbunden hat, abschmecken und die Teller anrichten. Dazu Kartoffeln und eventuell Kaiserschoten reichen. Gut gekühlter Sauvignon blanc passt perfekt! À bientôt!
p.s.: Wen es mal nach Jersey verschlägt, der sollte unbedingt im malerischen Hafenörtchen Saint Aubin im “Old Courthouse Inn” einkehren – dort wird man fantastisch bewirtet. Selbst wenn man Probleme mit den unregelmäßigen Verben haben sollte.