Spektakel mit Tentakel!
La Gomera ist ein bisschen das Ende der Welt. Dort gibt es in Valle Gran Rey eine kurze, palmenbestandene Strandpromenade mit Cafés und kleinen Läden. Und ganz am Ende ist ein Restaurant mit blauen Schirmen und Stühlen aus Aluminium, die irrsinnig heiß werden können, wenn die Sonne draufknallt. Hier von der Bar “Yaya” aus hat man einen tollen Blick über das endlose, glitzernde Blau des Atlantik. Die Flut beginnt und prächtige Wellen rollen heran, um sich schließlich an den Felsen in der Bucht zu brechen. Während ab und zu eine zarte Windbrise über die Haut streichelt, kann man die Möwen beobachten, in einer dicken Zeitung blättern und dann ist es plötzlich da, dieses Gefühl, dass die Zeit auf einmal langsamer fließt – und dann fast stehenbleibt. Herrlich. Aber auch im Urlaub bekommt man irgendwann Hunger. Nun ist das “Yaya” wirklich kein Gourmet-Restaurant, aber sie machen dort einen ziemlich guten Pulposalat, der mich zu diesem Rezept inspiriert hat. Es ist zugegebenermaßen minimalistisch, aber es kommt dabei wirklich auf die Spitzenqualität der Zutaten an.
Als Vorspeise für 4 Personen
600g Pulpo-Tentakel, gekocht (im Fischhandel sagen Sie dazu “Beine”, aber das finde ich jetzt für Kopffüßler irgendwie seltsam)
1 ordentliche Zehe frischer Knoblauch, feingehackt bzw. durch die Knoblauchmühle gedreht, aus der allerfeinste Würfelchen herauskommen
1/2 Tropea-Zwiebel oder milde rote Schalotten, feingehackt (Tropea-Zwiebeln kommen aus dem gleichnamigen Ort in Kalabrien und sind so mild, dass man sie tatsächlich scheibenweise roh essen könnte, wenn man sie nicht für diesen Salat bräuchte. Perfekt sind sie übrigens auch für Zwiebelkonfit oder Flammkuchen.)
Saft von einer Zitrone
Ein Guss Olivenöl oder Pflanzenöl
Eine sehr Reife rote und eine ebensolche gelbe Paprika, geschält und in Stücke geschnitten (Die Haut darf ruhig schon ein wenig runzelig sein, dann schmeckt die Paprika so intensiv, wie wir das hierfür brauchen.)
Etwas Salz
Weißer Pfeffer (am besten die Mélange blanc von Ingo Holland!)
Ich kaufe den Pulpo in Berlin gern im “Frischeparadies Lindenberg”, vorgekocht. Wer dort noch nicht war, muss alleine wegen der Fischabteilung hier einmal hin. Imperativ! Acht bis zehn laufende Meter Fischtheke mit der feinsten und größten Auswahl weit und breit, es ist wirklich sensationell. Und der Pulpo wird hier täglich frisch gekocht und kann dann wundervoll weiter verarbeitet werden, er macht auch kurzgebraten vom Grill Freude. In diesem segensreichen Laden gibt es manchmal übrigens auch die oben genannten Tropea-Zwiebeln. Alternativ gehen auch die bretonischen oignons de Roscoff oder eben sehr milde Schalotten. Sollte nichts davon zur Hand sein, bitte auf Zwiebeln ganz verzichten, ihre strenge Schärfe würde die zitronige Frische und die leichte Süße der Paprika zunichte machen.
Was den Pulpo betrifft: Alle, die nicht in Berlin leben und daher nicht eben mal bei Lindenberg vorbeischauen können, müssen selber ran. Keine Angst, ihr müsst Euch jetzt nicht – wie rund ums Mittelmeer üblich – eine Kaimauer aus Beton suchen und mit dem Pulpo eine halbe Stunde darauf einprügeln. Diese rabiate Methode haben die meisten im Urlaub sicherlich schon beobachtet. Wir machen das nicht, wir bekommen ihn anders zart. Ihr setzt einfach anderthalb Liter Wasser mit einem Schuss Weißwein, ein wenig Salz und einem Spritzer Kräuteressig auf und gebt ein Bund gewürfeltes Suppengrün hinzu. Jetzt die Krakenteile hinein, die Hitze reduzieren und eine Weile köcheln lassen. Nach 50 Minuten abschalten und den Kraken noch im Sud ziehen lassen. Jetzt kann man auch mal probieren, ob er zart geworden ist. Sonst noch ein wenig weiterköcheln. Manche schwören übrigens darauf, dem Kochwasser für die Zartheit des Pulpo einige (Weißwein-) Korken zuzugeben. Ein Profikoch hat mir allerdings mal erzählt, dies sei folkloristischer Humbug und könne zu geschmacklichen Irritationen führen. Ich halte das für plausibel und lasse den Korken da, wo er hingehört: auf der Pulle.
Die Tentakel jetzt abkühlen lassen und währenddessen eine sehr einfache Marinade aus Zitronensaft, Öl, Salz, weißem Pfeffer, Knoblauch und Zwiebeln anrühren. Manchmal gebe ich noch einen kleinen Schuss Kräuteressig dazu. Den Pulpo nun in mundgerechte Stücke schneiden, in einer Schüssel die Paprikastückchen untermischen und mit der Marinade übergießen. Und ab damit in den Kühlschrank, wo der Salat noch ein wenig durchziehen kann. Dieser Salat ist so einfach wie köstlich, vor allem an heißen Tagen: ein echtes Spektakel mit Tentakel! Und wenn man beim Essen die Augen schließt, kann man beinahe den Atlantik hören. À bientôt!