Ossobuco und Amore
Der Winter 2009/2010 war der kälteste Winter, an den ich mich erinnern kann. In Berlin überzog monatelang dichter Schnee alle Straßen und Dächer, an den Dachrinnen glitzerten dicke Eiszapfen in der Januarsonne, Eisblumen funkelten auf den Fensterscheiben, der Lärm und die Unruhe der Großstadt waren wie von einer mächtigen, weißen Decke eingehüllt.
Es war der schönste Winter, was zweifellos auch daran lag, dass ich in dieser Zeit Frau Knauber kennenlernte. Als ich zum ersten Mal für sie kochen sollte, war ich nervös. Was sollte auf den Tisch kommen? Es durfte nichts Alltägliches sein, aber auch nicht so kompliziert, dass ich die ganze Zeit am Herd stehen müsste, statt mich mit der neuen, blondgelockten Dame meines Herzens unterhalten zu können. Ich kannte auch ihren Geschmack noch nicht – da kann man mit zu scharfer asiatischer Küche oder sehr viel Knoblauch am Lamm schon mal danebenliegen. Ein Rinderfilet wäre wieder zu einfallslos gewesen.
Tagelang überlegte ich. Dann entschied ich mich für ein Ossobuco. Erstens, weil ich dieses norditalienische Gericht schon zig Male gekocht hatte und wusste, dass es immer gelingt, wenn man nur genug Garzeit einplant. Zweitens, weil Schmorgerichte nur ganz am Anfang Arbeit machen und sich dann quasi von selbst kochen, während man seine volle Aufmerksamkeit der Angebeteten widmen kann. Und drittens, weil so ein leckeres Gericht aus dem wuchtigen Gusstopf wunderbar zu diesem kalten Winter passte. Später würde ich flapsig behaupten, dass ich Frau Knauber (die damals freilich noch nicht so hieß) mit diesem Essen rumgekriegt habe. Vielleicht stimmt das auch. In jedem Fall ging es so:
(für 2 Personen)
Ossobuco:
4 Scheiben von der Kalbshaxe, dick geschnitten, seitliche Sehnen angeschnitten, sonst biegen sich die Scheiben beim Garen
100 g Karotten, geschält, fein gewürfelt
100 g Sellerie (Knolle), geschält, fein gewürfelt
2 mittelgroße Zwiebeln, geschält und geachtelt
1 kleine Knolle Knoblauch, quer halbiert
! EL Kräuter der Provence
1 EL Tomatenmark
100 ml Marsala
0,5 l Kalbsfond
1 EL Balsamico
Fleur de Sel
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
6 EL Mehl
6 EL Pflanzenöl
Fleur de Sel
Pfeffer (schwarz, frisch aus der Mühle)
Für den Kartoffelstampf:
700 g Kartoffeln (festkochend) , geschält und gar gekocht
100 g Parmesan, fein gerieben
100 ml Sahne (bei Bedarf mehr)
60 g Butter, in Stücke geschnitten
1 Zehe Knoblauch, fein gewürfelt
1 EL Schnittlauchröllchen
1 Prise Muskatnuss
3 EL Pflanzenöl
Fleur de Sel
Pfeffer (schwarz, frisch aus der Mühle)
Gremolata:
Zesten von 1 Zitrone, feingehackt
Zesten von 1 Blutorange, feingehackt
1 Knoblauchzehe, feingewürfelt
2 EL feingehackte, glatte Petersilie
Die Haxenscheiben salzen und pfeffern, in Mehl wenden und bei mittlerer Hitze im Gusstopf in Pflanzenöl von beiden Seiten anbraten. Nun die Scheiben herausnehmen, wieder etwas Öl hinzufügen und die Karotten- und Selleriewürfel, die Zwiebelachtel und die Hälften der Knoblauchknolle anbraten. Nach 3 bis 4 Minuten das Tomatenmark zugeben und anbraten. Nun die Provencekräuter, Salz und Pfeffer über alles streuen und mit dem Marsala ablöschen, der dann zur Hälfte einkochen darf. Einen Schuss Balsamico zugeben, mit dem Kalbsfond aufgießen und die Haxenscheiben wieder zurück in den Gusstopf geben. Mit geschlossenem Deckel für 3 Stunden bei 125 Grad in den Backofen stellen.
Zum Ende der Garzeit holen wir den Topf aus dem Ofen. Wenn man den Deckel hebt, entströmt dem Topf ein unglaublicher Duft. Das jetzt butterzarte Fleisch wieder herausheben und warmstellen, die Sauce durch ein Sieb abgießen und das Gemüse gut auspressen. Die Sauce nun um ¼ einkochen und binden, das Fleisch wieder zurücklegen, den Deckel drauf und das Ganze bei niedrigster Temperatur warmhalten.
Jetzt geht’s an den Kartoffelstampf. Und der hat’s mit Butter, Sahne, Käse und Kartoffeln in sich – aber wann sollte man so eine wuchtige Beilage mal machen, wenn nicht im Winter! Auf einem Brett die Kartoffeln mit einem Kartoffelstampfer zerkleinern. In einem Topf Öl erhitzen, die feinen Knoblauchwürfel andünsten, dann die Sahne zugeben und erwärmen. Nun den Parmesan einrühren, bis er sich in der Sahne aufgelöst hat. Jetzt die zerstampften Kartoffeln hinein, die Butterwürfel dazu und alles zu einer glatten Masse rühren, mit Muskat, Salz und Pfeffer abschmecken, Schnittlauch zugeben. Fertig.
Jetzt kann angerichtet werden. Nur noch schnell die Zutaten für die Gremolata mischen und bereitstellen. Die Zitrus-Zesten-Knoblauch-Petersilie-Mischung kann man sich dann als besonderen Akzent nach Geschmack auf das Ossobuco streuen.
Zurück in den Januar 2010. Mit klopfendem Herzen servierte ich. „Das fällt ja vom Knochen ab, so zart ist es“, lobte Frau Knauber. Dann probierte sie. Sie probierte gleich nochmal, ganz in sich und diesen duftenden Teller versunken. Dann schaute sie auf und lächelte mich strahlend an. Schöner konnte dieser wundervolle Winter nicht mehr werden. À bientôt!