Die 70er und 80er Jahre wären für mich kulinarisch sicher eine einzige Abfolge von Fondues, Käse-Igeln und Cordon Bleu gewesen, wenn mich nicht mein Onkel davor gerettet hätte. Kurt war ein echter Grand Seigneur alter Schule, mit jahrzehntelang geschultem Gaumen und so weltläufig, dass er in Brüssel, Paris und Biarritz die Oberkellner der besten Restaurants mit Namen ansprechen konnte. Er nahm mich zwar nicht mit nach Biarritz, aber er kannte auch zuhause in Saarbrücken und im nahen Elsass die besten Restaurants. Und die Oberkellner.
Da mein Onkel Kurt nicht nur weltläufig, sondern auch sehr großzügig war, lud er mich in meiner frühen Jugend ab und zu an den St. Johanner Markt ein, wo es damals ein wunderbares Lokal mit dem schlichten Namen “Fischgaststätte” gab. Dies wurde dann noch bis in die 90er Jahre, also jahrzentelang, betrieben von einem damals schon älteren Ehepaar norddeutscher Herkunft. Hier gab es gestärkte weiße Tischdecken, dezent dudelnde Fahrstuhlmusik und den besten Fisch der Stadt. Ein ganz klein wenig war es hier wie im feinen “Fischereihafen-Restaurant” in Hamburg.
Erinnert Ihr Euch noch an die rot-gelben Pappschildchen in 50er-Jahre-Optik auf den Tischen der Gasthäuser mit Werbung für frische Miesmuscheln, wenn im Herbst die Saison begann? Die gab es dort natürlich auch. Das beste aber, das war das Fischfilet “Bombay”. Wie schon durch den exotischen Namen signalisiert, bewegen wir uns mit diesem Essen in exotische Gefilde – oder das, was man sich in den 70er Jahren darunter vorstellte. Aber es war köstlich! Der Versuch, dieses Gericht gedanklich zu rekonstruieren, fällt mir leichter als man denkt, weil ich noch als junger Erwachsener die “Fischgaststätte” aufgesucht habe – und das liegt nicht 40, sondern “nur” 20 Jahre zurück. Es handelte sich bei “Bombay” um ein kräftig angebratenes Kabeljaufilet in einer fruchtig-sahnigen Currysauce, begleitet von einer gebackenen – Achtung: Banane! Klingt irgendwie etwas tikimäßig, ist es auch und wird deshalb bei meiner 2017er “Bombay”-Version weggelassen. Die hat es aber trotzdem in sich und geht so:
Für 2 Personen
-400g Kabeljau-Loins (Dieses Essen gibt es bei mir nur, wenn ich richtig gute Kabeljauloins bekomme, denen man einfach ansieht, dass sie super frisch und so fest sind, dass sie in der Pfanne nicht zerfallen, sondern am Stück bleiben. Das schafft eigentlich nur geangelter Kabeljau.)
-250g rohe Rosenberg-Garnelen (das sind sehr große, knackige Viecher aus dem asiatischen Raum)
-1 Glas Krustentier-Fond bester Qualität
-Ein paar Fäden Safran
-Curry nach Geschmack (ich mische oft das hammerscharfe “Dragon”-Curry von Gewürzmeister Ingo Holland mit dem sehr milden “Sansibar”-Curry und es kommt genau die passende Mischung dabei heraus.
-1 kleines Fläschchen Mango-Maracuja-Smoothie der Firma “Innocent”, der Clou dieses Rezeptes
-1 kleines Glas Weißwein
-ca. 1 Tasse Sahne
-Butter
-Erdnussöl
-Etwas Cayennepfeffer
Den Kabeljau mehlieren und auf beiden Seiten in einer Mischung aus Butter und Erdnussöl kräftig anbraten. Im Backofen bei 80 Grad warmstellen, wo er langsam weitergart, aber im Kern ein klein wenig glasig bleibt. Jetzt die Rosenberg-Garnelen im Panzer längs mit einem einzigen, entschlossenen Schnitt mit sehr scharfer, breiter Klinge halbieren, mit einer Spur Cayennepfeffer bestreuen und auf beiden Seiten jeweils eine Minute kräftig anbraten. Die Garnelen dürfen jetzt zum Kabeljau in den Ofen. Die Currymischung in der heißen Pfanne ein wenig andünsten lassen, dann mit dem Weißwein ablöschen, den Fond angießen und ein paar Minuten bei großer Hitze einkochen lassen. So wird die Sauce intensiver, denn der Krustentierfond ist die Basis dieser Leckerei. Safran und Sahne hinzufügen und wieder einkochen lassen. Zuletzt kommt der Mango-Smoothie hinzu, oft finde ich ein halbes Fläschchen schon ausreichend. Wieder einköcheln, und der dickflüssige Smoothie wird auch die Bindung der Sauce erfreulich unterstützen. Mit etwas Salz, eventuell auch einer Spur Zucker abschmecken. Eventuell noch etwas mehr Curry: Es soll schon ganz ordentlich brennen, aber auch harmonisch eingerahmt sein von Fruchtigkeit und Sahne. Jetzt kommen Kabeljau und Großgarnelen zur Sauce. Das ganze noch ein paar Minuten auf kleinster Flamme nachziehen lassen und servieren.
Bevor Ihr esst, solltet Ihr wissen: “Bombay” macht abhängig. Als ich in diesem Frühling damit anfing, ahnte ich noch nicht, dass es von Gattin, Gästen und auch von mir selbst immer wieder auf den Speiseplan gesetzt werden würde. Niemals ist auch nur ein Tropfen Sauce übrig geblieben. Dazu gibt’s Reis. Und den aller-aller fruchtbombigsten, vanilligsten Chardonnay, für den Ihr Euch vor Euren Weinkenner-Freunden ein wenig schämt und den Ihr deshalb nur heimlich trinkt. Haben wir ja alle im Schrank. Heute passt er. Ich hebe das Glas – auf Onkel Kurt. À bientôt!
p.s.: Bombay heißt heute nicht mehr Bombay, sondern Mumbai. Mein Onkel hätte das ganz bestimmt höflich ignoriert.
p.p.s.: Über die Banane denke ich immer noch nach. Manchmal. Tiki hin oder her: Irgendwann probier ich’s aus!
Das “Dragon-Curry” von Ingo Holland: https://www.altesgewuerzamt.de/Mischungen/Curry-Dragon.html