Männer, die auf Trüffel starren
Der fauchende Wind ist schneidend kalt. Eiszapfen hängen von den Reetdächern. Eisschollen treiben in der Nordsee, die winterlich-grau an den Strand von Kampen brandet. Brausend und gewaltig ist alles um mich herum, und ich bin froh, ins Hotel zu kommen. Zuerst mal in die Bar. Wir schreiben den eisigen Januar 2010. Meine Augenringe sind tief. Was nur zum Teil an einem Jahr harter Arbeit liegt. Gerade hatte ich nämlich die spätere Frau Knauber kennengelernt. Wir chatten, per sms. Stundenlang, nächtelang.
Und jetzt bin ich hier auf Sylt, ein Treffen unter alten Freunden. Einige sind schon in der Bar. Herzliche Begrüßung und ein Grog, während große Eisblumen sich auf den Fenstern ausbreiten. Auf einmal fliegt die Tür zur Bar auf und ein baumlanger Kerl in Sturmjacke mit Fellkragen kommt herein, in den Händen eine Kiste, die er fast andächtig trägt, wie ein Reliquiar bei einer katholischen Prozession. Er gesellt sich zu uns an die Theke und stellt sich vor. Andi ist Foodhunter. Das heißt, er spürt in allen erreichbaren Regionen Europas neue oder interessante kulinarische Produkte auf und versucht, dafür in der Topgastronomie Abnehmer zu finden. Was in der Kiste ist? Trüffel aus dem Piemont, antwortet er mit breitem Lächeln. Dann öffnet er den Deckel und der magische, wundervolle Duft erfüllt die kleine Hotelbar. Alle verstummen und schauen auf diesen Berg prachtvoller, schwarzer Knollen. Männer, die auf Trüffel starren. Wir hatten dann noch viel Spaß mit Andi, der etliche weitere Schätze aus seinem Kofferraum hervorzauberte.
Weil jetzt die Festsaison ist und weil es kaum ein festlicheres Gericht gibt, serviere ich Euch heute Tournedos Rossini.
(Für 2 Personen)
400 Gramm Rinderfilet aus dem Mittelstück
2 Scheiben Entenleberpastete
1 Trüffel à 25 Gramm, einige Scheiben für die Garnitur gehobelt, der Rest fein gewürfelt
1 kleine rosa Zwiebel oder eine große Schalotte, feingehackt
2 Champignons, in dünne Scheiben geschnitten
500 ml Kalbsond
100 ml roter Portwein (Tawny)
3 TL Demi Glace (hoch reduzierter, gelierter Kalbsfond)
schwarzer Pfeffer
20 g Butter
Fleur de Sel
Das Filet trockentupfen, salzen, pfeffern und scharf anbraten. Dann bei 130 Grad in den vorgeheizten Backofen, wo es langsam seiner Kerntemperatur von 62 Grad entgegengart. Wir setzen Kartoffeln auf und kümmern uns um die Sauce. In der Hälfte der Butter die Schalottenwürfel bei niedriger Temperatur glasig werden lassen. Die restliche Butter in Stücke schneiden und in den Tiefkühler stellen. Während die Zwiebeln glasig werden, ist es an der Zeit, den Kalbsfond in einer Kasserolle auf die Hälfte einkochen zu lassen. Nun die Schalotten mit dem Portwein ablöschen und langsam auf ein Drittel einköcheln lassen. Danach den reduzierten Fond angießen, Demi Glace dazugeben und langsam um ein Drittel einköcheln, bis die Flüssigkeit ein wenig sirupartig wird.
Dieses dreimalige Einköcheln hat ein intensives, hoch konzentriertes Sößchen hervorgebracht, das nun eigentlich fast schon fertig ist. Mit dem Schneebesen arbeiten wir jetzt noch die eiskalten Butterstücke in die Sauce ein, die dabei immer dickflüssiger wird. Dann drehen wir die Hitze ab, lassen den Topf 2 bis 3 Minuten abkühlen und geben die Trüffelwürfelchen hinein. Deckel drauf und schön durchziehen lassen. Der Topf sollte nun nicht mehr heißer als 60 Grad werden, so bleibt das Trüffelaroma am besten erhalten.
Zum Anrichten das Fleisch aufschneiden, mit der Trüffelsauce begießen, eine Scheibe Entenleberpastete aufsetzen und mit einigen Trüffelscheiben belegen. Dazu habe ich ganz tief in den Weinschrank gegriffen und zur Feier des Tages einen 2009er Domaine Trevallon entkorkt. Der passte nicht nur perfekt zum Essen, sondern auch zu unserem zehnten Jahrestag. Prost, Frau Knauber! À bientôt.
p.s.: Schon wieder Trüffel? Ja, ich habe mich ein bisschen hineingesteigert. Falls sich jemand fragt, wieso die Dinger Tournedos Rossini heißen: Dieser Teller ist ein typisches Design-Gericht aus der französischen Hochküche des 19. Jahrhunderts. Es wurde erstmals in der „Maison Dorée“ zelebriert, einem Gourmettempel, der von 1841 bis 1902 Bestand hatte. Der britische König Edward VII, Honoré de Balzac oder Alexandre Dumas gingen hier ein und aus. Auch der berühmte italienische Komponist Gioachino Rossini. Und für diesen besonderen Gast kreierte Küchenchef Casimir Moisson eines Tages seine seitdem weltberühmten Tournedos.