Gut Kirschenessen mit David Bowie
Es gab in den 70er und 80er Jahren einen Ort am Landwehrkanal nahe der Berliner Mauer, an dem West-Berlin fast zuende war. Hier, wo einst David Bowie, Max Frisch, Quincy Jones und Rainer Werner Fassbinder zechten, damals hieß der Laden “Exil”, ist heute mit dem “Horváth” am Paul-Licke-Ufer 44A ein (berechtigterweise) gefeiertes Sternerestaurant. Dazwischen gab es hier ein eher unauffälliges gastronomisches Kapitel in Form eines Ladens namens “Cena”, das die meisten inzwischen vergessen haben. Sie hatten dort aber ganz gute Mittelmeerküche und recht ordentliche offene Weine. Nix Dolles, sollte man meinen. Als ich dieser Tage mal wieder im “Horváth” saß, erinnerte ich mich aber an einen Besuch im “Cena”, der mir lange in Erinnerung bleiben sollte. Wegen eines regelrecht magischen Tellers. Es gab damals ein sogenanntes marokkanisches Kirschgulasch, das mir wirklich seit über 10 Jahren nicht aus dem Kopf ging. Am Freitag habe ich mich nun final von dieser Zwangsvorstellung befreit, indem ich endlich folgendes kochte:
(Für 2 Personen)
1,3 kg Gulasch
1 Flasche fruchtiger Rotwein, Beaujolais oder am besten Marcillac
1 kleines Glas Kalbsfond
2 EL Tomatenmark
1 Tüte getrocknete kernlose Kirschen, z.B. von Seeberger
1 1/2 EL Raz al Hanut-Gewürzmischung von Ingo Holland
Piment d’Espelette oder Chiliflocken
2 Karotten, gewürfelt
2 rote Zwiebeln, gewürfelt
2 Zehen Knoblauch, grob zerteilt
2 TL Demi Glace (hoch konzentrierter Kalbsfond)
1 getrocknetes Sträußchen Kräuter der Provence (Thymian, Rosmarin, Lorbeer)
2 EL Honig
1 EL Fleur de sel
Das Gulasch portionsweise im Gusstopf in Pflanzenöl scharf anbraten, dabei großzügig salzen, mit Piment d’Espelette würzen und die Fleischwürfel dann wieder herausnehmen. Bei mittlerer Hitze jetzt die Zwiebel-, Karotten- und Knoblauchwürfel anbraten. Nach fünf Minuten das Tomatenmark hineingeben und mitbraten, danach Raz al Hanut darüberstreuen. Vom Rotwein genehmigen wir uns erstmal ein Gläschen, der Rest kommt dann leider in den Topf. Nun das Krätersträußchen, den Honig, den Fond und das Demi Glace hinein, Deckel drauf und anderthalb Stunden auf kleiner Flamme schmoren.
Ach, Gulasch ist so ein geniales Gericht, weil es sich praktisch von selber kocht, während man entspannt noch ein Glas Wein trinken kann. Ok, auch zwei. Nach anderthalb Stunden und zugegebenermaßen drei Gläsern Wein das Fleisch wieder aus der Sauce heben. Auch das Kräutersträußchen muss raus. Jetzt wird die Sauce heftig eingekocht, gebunden und abgeschmeckt. Die Fruchtigkeit des Rotweins, das Raz al Hanut und der kräftige Rindfleischgeschmack haben sich inzwischen aufs Köstlichste miteinander verbunden. Und erst jetzt kommen die getrockneten Softkirschen hinzu, das Fleisch wandert wieder zurück in den Topf und weiter geht’s für eine weitere halbe Stunde, in der man Kartoffeln oder Pasta zubereiten und den Tisch decken kann. Oder ein weiteres Glas Wein trinken. Dann fühlt man sich, inzwischen leicht angetütert, fast wie im „Exil“, wo in unseren Träumen für immer David Bowie, Fassbinder und Quincy Jones abhängen und Schultheiss trinken… Okay, zum Glück gibt’s jetzt Gulasch!
p.s. Das Ganze steht und fällt mit einem wirklich sehr, sehr fruchtigen Rotwein. Nur so kommen die Kirschen richtig nach vorne. Jeder ambitionierte Hobbykoch wird da seinen eigenen Geheimtipp haben, aber ich nehme diesen: http://www.pinard-de-picard.de/katalog/wein/erzeuger/517-Domaine_du_Cros_Marcillac.html