Gaaaanz langsam, ganz zart
Es war an einem Sonntag. Die erste Gabel werde ich nie vergessen. Auf meinem Teller lag ein Stück Rinderbug, das 24 Stunden lang zart gegart worden war. Der Teller stand auf einem festlich gedeckten Tisch im Dreisterne-Restaurant von Christian Bau, in einem alten Schloss hoch über dem Moseltal. Und zwar genau dort, wo Deutschland, Luxemburg und Frankreich das Dreiländereck bilden. In glitzernden Windungen zieht sich der Fluss unter blauem Himmel zwischen den steilen, sattgrünen Weinbergen dahin – ein Fleckchen Erde, das ich liebe und das ich immer wieder besuche. Wegen seiner Schönheit, wegen der Weine, wegen Christian Bau. Immer wieder war ich in den letzten fast 30 Jahren dort zu Gast und war immer begeistert von der konstanten Spitzenqualität dieses Kochs, dessen Kreationen freilich nur selten zuhause nachgekocht werden können. Schon weil der Meister an Zutaten herankommt, von denen Hobbyköche nur träumen können.
Nach diesem Erlebnis hatte ich aber begonnen, mich mit dem Garen im Unterdruck (sous vide) zu beschäftigen: Das Gargut wird in eine Plastikfolie eingeschweißt und über Stunden langsam in einem Wasserbad gegart. Dazu hängt man einen Sous-Vide-Stick, eine Kombination aus Tauchsieder und Umwälzpumpe in das Wasser mit dem Gargut – und die sanfte Garung beginnt. Fleisch wird ultrazart und aromatisch, Gemüse behält seinen Biss und entfaltet ungeahnten Geschmack. Als ich letztens bei meinem Metzger ein schönes 500 Gramm-Stück Roastbeef liegen sah, erinnerte ich mich an jenes legendäre Sonntagsesssen mit der Familie meines Freundes Dieter bei Christian Bau. Und dann machte ich mich an die Arbeit für ein butterzartes Rumpsteak mit Kohlrabigemüse, und das geht so:
(2 Personen)
500 g Roastbeef, am Stück
Ein großer Kopf Kohlrabi, entblättert, geschält und in gleichmäßige Stifte geschnitten
3 Möhren, geschält und gewürfelt
2 EL Schnittlauchröllchen
1 Tasse Sahne
1 EL Crème fraiche
½ TL Gewürzmischung Café de Paris (Rimoco)
Weißer Pfeffer (für das Gemüse)
Schwarzer Pfeffer (für das Fleisch)
Pflanzenöl
Fleur de sel
40 g Butter
1 Zweig Rosmarin
Das Wasserbad vorbereiten und den Sous-vide-Stick auf 58,5 Grad und drei Stunden einstellen. Das Roastbeef mit dem Rosmarinzweig und der Hälfte der Butter einschweißen und in das Wasserbad legen. Dabei darauf achten, dass das kleine Paket ein bisschen Abstand zum Boden hat, so wird es vom Wasser gleichmäßig umflossen. Ein oder zwei umgedrehte Löffel auf dem Boden des Topfes reichen als „Unterkonstruktion“ dafür aus. Das war’s erstmal.
Eine halbe Stunde vor Ende der Garzeit werden die Kohlrabi-Stifte und die Karottenwürfel zunächst zehn Minuten in der restlichen Butter und Öl zart angedünstet. Dann gebe ich etwas Sahne und die Crème fraiche hinzu und lasse das Ganze weitere zehn Minuten mit halb aufgelegtem Deckel leise köcheln. Wie viel Sahne man zugibt, hängt davon ab, ob man zum Fleisch eine Sauce plant, oder ob – wie in diesem Fall – das Gemüse ein bisschen mehr Sahne mitbringt, die sich mit dem Sud des Gemüses lecker verbindet und dabei etwas einköchelt. Nun mit Schnittlauch bestreuen, zart salzen und pfeffern und ein wenig von der Café de Paris-Gewürzmischung hinzugeben. Da darin auch Kurkuma enthalten ist, ergibt sich eine dezente Gelbfärbung bei Gemüse und Sauce. Die Temperatur nun abstellen und den Deckel auflegen.
Das Finale: Wir beenden den dreistündigen Garungsprozess unseres Roastbeefs, indem wir es aus dem Wasserbad heben, den Beuten aufschneiden und das Stück Fleisch trockentupfen. Die Fettseite des Fleisches wird jetzt mit einem sehr scharfen Messer rautenförmig eingeschnitten, das Fleisch selber zart gesalzen und gepfeffert. In einer heißen Pfanne wird unser zartes Stück Fleisch jetzt von allen Seiten eine halbe Minute angebraten, wodurch zur zarten Garung noch markante Röstaromen hinzukommen. Fertig! Das butterzarte Fleisch und das frühlingshafte Kohlrabi-Gemüse sind ein perfektes, leichtes Essen für einen Sonntag im Frühling. Klar Sonntag, denn wann hat man sonst schon die Zeit, eine dreistündige Garzeit zu begleiten. Ach Leute, ich muss unbedingt mal wieder nach Nennig zu Christian Bau. À bientôt!
p.s.: Die Gewürzmischung „Café de Paris“ hat übrigens mit Kaffee oder mit Paris gar nichts zu tun. Sie wurde in den 1930er Jahren in einem gleichnamigen Restaurant in Genf erfunden und wird dort bis heute zum legendären Roastbeef serviert, das auch die einzige warme Speise ist, die in diesem Laden auf der Karte steht. Die Mischung ist selbstverständlich ein streng gehütetes Geschäftsgeheimnis. Das hat aber kaum einen Gewürzhersteller auf dem Globus davon abgehalten, eine eigene Kreation dieser magischen Mischung anzubieten. In der hier verwendeten Mixtur einer sehr guten Manufaktur aus Saarbrücken befinden sich neben Kurkuma unter anderem auch Koriandersamen, Zimt, Kreuzkümmel, Muskatblüte und Ingwer.