Frankreich? Ei like it!
Ich wollte mitfahren nach Frankreich. Ich war spät dran und peinlicherweise der letzte am Bus, als ich mit einer hastig gepackten Reisetasche am Morgen nach einer wilden Party endlich einstieg. Ich war müde, leicht verkatert und dennoch total aufgeregt. Meine erste Auslandsreise als Journalist. Herbst 1987, ich war Neunzehn. Im Bus: der Bürgermeister einer saarländischen Gemeinde, Ratsmitglieder, Unternehmer. Und zwei freie Journalisten, Gerhard und ich.
Gerhard war locker zehn Jahre älter als ich, sehr belesen und dankenswerterweise auf dieser Reise ein wenig der große Bruder. Und wenn ich ihn heute treffe, ist er das irgendwie noch immer. Die Fahrt ging ins südliche Burgund in die Partnerstadt Bourbon-Lancy zu einer regionalen Messe. Zwischenstop, irgendwo in der Bourgogne. Dreißig Honoratioren fallen in ein Dorfgasthaus ein. Der Wein (ein einfacher, aber köstlicher Passetoutgrain) fließt in Strömen, es gibt Salade Beaujolaise mit Speckwürfeln und Senfdressing. Und dann diese Eier in Rotweinsauce. Intensiv, total lecker und etwas, was ich zuvor noch nie gegessen hatte.
Und überhaupt lernte ich auf dieser Reise vieles über Frankreich, was ich erst Jahre später wirklich verstanden habe. Dass Essen ein großer Genuss sein kann, klar. Aber dass es bei unseren wundervollen Nachbarn auch unveränderlichen Abläufen folgt. Vorspeise, Zwischengang, Sorbet, Hauptgang, Dessert, Käse. Oder dass man durchaus sowohl mittags als auch abends so opulent schlemmen kann, wenn man sich keine Kartoffeln nachlegen lässt und die Finger vom Brotkorb fernhält. Und so saßen wir dann auf dem Höhepunkt dieser Reise einmal mit bestimmt 200 französischen Honoratioren in einem mittelalterlichen Gewölbe und gefeiert wurde eigentlich – das Feiern selbst, als genussvolles Ritual. Das ist Frankreich für mich. Frankreich tut gut, weil es auch in unserer heutigen, etwas wirren Zeit für viele Dinge des Lebens klare Regeln hat, nicht nur beim Essen. Kann man konservativ finden, ich liebe es.
Als ich dieser Tage in einem unglaublich guten Kochbuch von Stéphane Reynaud (“Vive la France”) blätterte, fand ich ein Rezept für diese epischen, pochierten Eier in Rotweinsauce. Ich wusste, ich habe alles dafür im Kühlschrank, und da musste ich sofort ran.
(Für zwei Personen)
2 Eier
150 g magerer, geräucherter Bauchspeck, grob gewürfelt
8 Schalotten, geschält und geviertelt
1 Knoblauchzehe, geviertelt
350 ml Rotwein (ein milder, säurearmer Côtes du Rhône ist ideal)
1 gestrichener EL Mehl
1 Lorbeerblatt
1 EL Butter
1 Lorbeerblatt
Fleur de Sel
Schwarzer Pfeffer (aus der Mühle oder in diesem Falle gerne eine Mélange Noir, von Ingo Holland oder Rimoco)
1 TL Zucker
4 EL Weißweinessig
Hier läuft es umgekehrt wie sonst: Zunächst wird die Sauce gemacht, dann erst die Hauptsache, also das Ei.
In einer Kasserolle die Speckwürfel in der Butter bei mittlerer Hitze anbraten, bis sie etwas Farbe angenommen haben. Dann die Schalotten und den Knoblauch dazugeben und bei mittlerer Hitze fünf Minuten mitdünsten. Nun das Mehl darüberstreuen und alles weitere 5 Minuten brutzeln. Anschließend das Lorbeerblatt dazugeben, mit dem Rotwein aufgießen und 20 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Zuletzt nur noch abschmecken. Unter Umständen hat unser reduziertes, sämiges Sößchen etwas zu viel Säure vom Rotwein. Dann den Zucker zugeben, der puffert die Säure ab und fällt geschmacklich gar nicht auf. Jetzt noch salzen, pfeffern und fertig ist eine intensive köstliche Sauce. Deckel drauf und bei niedrigster Temperatur warmhalten. Wenn ich diese Vorspeise demnächst wieder mache, werde ich ein Drittel des Rotweins durch Hühnerfond ersetzen, dann gibt es kein Säureproblem.
Jetzt kommen die Eier dran. Dafür setzen wir einen Topf mit einer handbreit Wasser auf und geben den Weißweinessig dazu. Das Wasser darf nicht kochen, sonst ist es für das Pochieren zu unruhig. Ideal sind 92-94 Grad. Pochieren ist so eine Sache. Ich habe es immer gehasst, weil die Eier sich manchmal im heißen Wasser nicht so benehmen, wie man das gerne hätte. Und dann muss man zusehen, wie das Ei ausfranst oder sich halb im Wasser auflöst und kann nichts dagegen tun, außer skeptisch in den Topf zu starren oder zu versuchen, es hektisch mit zwei Löffeln in Form zu halten. Was die Deformation meistens noch schlimmer macht. Ich habe das Problem jetzt mit dem Erwerb zweier speziell für das Pochieren entwickelter Silikontrichter gelöst, die findet man im guten Fachhandel oder im Internet. Die Dinger stehen im siedenden Wasser und man lässt die aufgeschlagenen Eier einfach hineingleiten. Nach längstens fünf, eher vier Minuten sind die Eier fertig und können mit einem Schaumlöffel aus dem Wasser gehoben werden. Jetzt kann man anrichten und servieren. Bei der ersten Gabel musste ich wieder an die Burgundreise denken. Und ich war ein bisschen gerührt und freute mich, den dazu passenden Geschmack mal wieder auf der Zunge zu haben. À bientôt!
p.s.: „Es weiß ein jeder, wer‘s auch sei/ gesund und stärkend ist das Ei.“ (Wilhelm Busch)