Meine erste Reise in die Provence war eine fröhliche Gruppenreise, organisiert von zwei Lehrern meiner früheren Schule mit ehemaligen Schülern. Wir wohnten in zwei größeren Ferienwohnungen am Meer in Sainte Maxime und unternahmen von dort aus Exkursionen in die gesamte Provence. So konnte ich zum ersten Mal ganz tief in diese Region eintauchen und ihr Sonnenlicht, ihre Düfte und das Konzert der Zikaden erleben. Es mag etwas pathetisch klingen, aber diese eine Woche hat mir die Tür zu meinem Traumland weit aufgerissen.
Einer unserer Ausflüge führte uns in die Camargue, das Land der Flamingos, der weißen Pferde und der Stierkämpfe. In munterer Klassenfahrt-Atmosphäre stürmten wir dort ein ländliches Restaurant. Wir waren spät genug dran, um bei der Wirtin hochgezogene Augenbrauen hervorzurufen, denn die Essenszeiten sind den Franzosen heilig – und wer zu spät kommt, hat bisweilen Pech gehabt. Wir hatten Glück: das Tagesgericht war noch da, Stiergulasch! Was ich da auf dem Teller hatte, hatte mit dem Gulasch, wie ich es kannte, nicht viel zu tun. Die Farbe war tief dunkel, es waren auch Oliven darin, das Fleisch war intensiv und das ganze Gericht von unglaublicher Würzigkeit. Es war so gut, dass ich nachfragen musste, wie dieses kleine Wunder entstanden war. So mache ich es heute noch:
Provencalisches Gulasch (für 4 Personen)
1,5 kg Rindergulasch
150 g schwarze Oliven, entsteint
150 g getrocknete Tomaten, geviertelt
20 Cocktailtomaten, halbiert
1/2 Knolle Knoblauch
50 g trockene Steinpilze, eingeweicht und grob geschnitten
100 g Pancetta, gewürfelt
3 rosa oder weiße Zwiebeln, grob gewürfelt
2 EL Tomatenmark
1 kleines Glas Marc de Provence oder Grappa
Salz
schwarzer Pfeffer
2 Lorbeerblätter
1 EL Kräuter der Provence, gemörsert
150 ml Kalbsfond
Piment d’Espelette
Tapenade (Mus von schwarzen Oliven)
Für die Marinade
1 Flasche Cotes du Rhone
1 Bund Suppengemüse, grob zerkleinert
1 Gemüsezwiebel
6 Pfefferkörner
4 Knoblauchzehen, halbiert
1 Sträußchen Kräuter der Provence
3 Lorbeerblätter
Die Fleischwürfel und die Zutaten für die Marinade in eine große Schüssel geben, mit dem Rotwein begießen und über Nacht abgedeckt im Kühlschrank marinieren lassen. Nach der Hälfte der Zeit einmal gut durchmischen, damit die Marinade überall hingelangt und das Fleisch gut durchmariniert ist.
Nach 24 Stunden die Marinade abgießen und beiseite stellen. Die Gulaschwürfel trockentupfen, salzen, pfeffern und am besten in einem schweren Gusstopf scharf anbraten. Dann aus dem Topf nehmen und beiseite stellen. Jetzt die Pancetta-Würfel in den Topf geben und anbraten. Nach 2 Minuten die Hitze reduzieren und die Zwiebeln dazugeben. Nach 3 Minuten das Tomatenmark hinzufügen und anrösten lassen. Nun mit dem Marc oder Grappa ablöschen. Auf einer anderen Platte braten wir die Steinpilze in einer Pfanne mit etwas Salz und Pfeffer an.
Jetzt kommt das Fleisch wieder dazu und wir gießen mit der Marinade auf. Oliven, Trockentomaten, Steinpilze und Kräuter der Provence sowie die halbe Knoblauchknolle dazugeben, alles gut vermischen. Dann mit geschlossenem Deckel mindestens drei Stunden köcheln lassen.
Dann wird das Fleisch aus dem Topf wieder herausgehoben, am besten auch die Oliven. Jetzt die Sauce um 1/3 einkochen und binden, eventuell auch einen Löffel Tapenade einziehen. Jetzt wird noch einmal abgeschmeckt, eventuell kommt ein bisschen Sahne zur Abrundung dazu. Eine 1/4 Stunde vor dem Servieren wandern die kleinen Cocktailtomaten als frischer Akzent in den Topf. Fertig!
Was für ein Essen. Der schönste Moment: wenn ich nach drei oder vier Stunden den Deckel hebe und der köstliche Duft mir in die Nase steigt. Dann denke ich immer daran, wie ich mich mit Anfang 20 gefühlt habe, als ich dieses wunderschöne Land zwischen Montelimar und Monaco zum ersten Mal erleben durfte. Biologie und Physik habe ich vollständig vergessen. Aber mit der Liebe zur Provence haben mir unsere ehemaligen Lehrer tatsächlich etwas fürs Leben mitgegeben. Danke, ihr beiden, Reinhart und Wolfgang. À bientôt.
p.s.: Wenn man den Cotes du Rhone durch Beaujolais ersetzt, wird das Gulasch etwas weniger mächtig. Aber halt auch ein bisschen weniger provencalisch.
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