“… dann mach’ ich eben Lamm!”
So. Heute denken wir schon mal an Ostern. Und jetzt kommt nicht Eier ausblasen oder so, sondern: das Thema Lamm! Das Lamm ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich unser Volksgeschmack in den letzten 25 Jahren verändert hat. Unsere Großeltern empfanden Lamm als eine nicht sonderlich angenehme Erinnerung an die Nachkriegsküche. Dass es “damals nichts gab”, hören wir heute nur noch von Satirikern, und doch waren nach dem sogenannten “Endsieg” offenbar immer noch genug zähe Hammel und schulpflichtige Schafe verfügbar, um eine ganze Generation von Essern bis in die 80er Jahre hinein nachhaltig abzuschrecken. Der freundliche Wiederkäuer blieb eine elitäre Freude für Eingeweihte. Die Mehrheitsgesellschaft fürchtete weiterhin zähes Fleisch mit strengem Eigengeschmack, für dessen Zubereitung es in der traditionellen deutschen Küche auch nicht besonders viele Anregungen gibt. Für Hinweise auf solche Rezepte und Traditionen bin ich dankbar.
Wer hat’s erfunden? Der Siebeck!
Der frankophile Wolfram Siebeck schließlich trug dann entscheidend dazu bei, das Lamm zu einem Objekt der Begierde für den geneigten Hobbykoch werden zu lassen. Bei ihm wurde es gebraten, geköchelt und vor allem – geschmort. Allerspätestens mit der von ihm erfolgreich propagierten “Niedrigtemperaturmethode” kam das Lamm im Schlepptau einer spannenden, neuen Art zu Kochen in allen halbwegs ambitionierten Privatküchen wieder zu Ehren. Diese Methode, deren Name mich immer irgendwie an fortgeschrittene Kraftwerkstechnik erinnert, ist ganz einfach: Man würzt das Lamm und tut es in den Ofen. Aber nur irgendwo zwischen 90 und 120 Grad und dann auch gleich für sechs oder sieben Stunden. Aber dazu kommen wir später. Heute ist Lamm sozusagen in aller Munde und hat innerhalb der roten Fleischsorten irgendwie einen ‘harmlosen’ Sonderstatus, der auch manchen Vegetarier manchmal schwach werden lässt. In der Komödie “my big fat greek wedding” wird das auf die Spitze getrieben mit dem Zitat der Braut-Tante: “Sie essen kein Fleisch? Na, dann mach’ ich eben Lamm!”
Woher nehmen …?
Die meisten meiner Freunde haben, jeder für sich, eine ganz besondere Bezugsquelle für Lamm, auf die sie hoch und heilig schwören. Da die meisten von ihnen einen recht guten Geschmack haben, leite ich daraus ab, dass es nicht so schwierig ist, heutzutage gutes Lammfleisch zu bekommen. In Berlin wird der Markt von türkischen Metzgereien beherrscht, die neben den obligaten Filets, Keulen und Schultern auch ganze Köpfe, Lebern und andere Innereien, sogar Zungen, im Sortiment haben. Hier findet man fast immer ordentliche Qualität und wer gutes Fleisch zum fairen Preis sucht, der wird beim Türken an der Ecke selten enttäuscht werden. Nur beim Entbeinen sollte man sicherheitshalber dazu sagen, dass man daraus kein Gulasch machen will, sonst kann es ein Massaker an der Schulter geben – und wir brauchen unsere Schulter intakt und nicht in Fetzen. Wie bei allen Dingen kann man natürlich auch beim Lamm den Qualitäts- und Preisregeler bis in den Formel 1-Bereich hochziehen. “Label Rouge”-Tiere aus dem Limousin, von bretonischen Salzwiesen, aus Sisteron oder auch Mecklenburgische Edel-Lämmer lassen genug Raum für alle, die entweder etwas ganz besonderes suchen oder auch ansonsten im Leben nicht zum Kassengestell neigen. Und mit Milchlamm kann man dann noch mal einen draufsetzen. Zwischen Türkenmetzger und KaDeWe liegt, beziehungsweise hängt, in den Kühlhäusern sehr viel Lamm aus Neuseeland. Diese Insel stelle ich mir inzwischen als eine Volkswirtschaft vor, die vor allem von der Schafzucht und von Kiwis zu leben scheint. Ob Lämmer und Kiwis im selben Container gemeinsam am freien Welthandel teilnehmen? Das verschweigen die Lämmer, die Kiwis auch. Zurück zum Einkauf. Wofür sich also entscheiden? Ehrlich gesagt würde ich es von der Situation in der Haushaltskasse abhängig machen, denn die Qualitätsunterschiede bei teurem und weniger teurem Lamm erscheinen mir weit weniger dramatisch zu sein als beispielsweise zwischen einem bedauernswerten Käfighuhn und seinem glücklichen, freilaufenden Verwandten aus dem Burgund.
Ist der Händler gefunden, gilt es sich für einen Schnitt zu entscheiden. Ostern heißt schon mal einen Tisch voll Leute bekochen, also ist Schmoren dicker Stücke angesagt. Ich entscheide mich für Schulter, die meist saftiger ist als die Keule. Bitte ohne Knochen! So kann man das Fleisch nach Belieben füllen (Ziegenfrischkäse? Oliven? Ganze Knoblauchzehen?). Ich nehme noch ein paar Filets dazu, damit man Abwechslung auf dem Teller hat. Und wenn wir schon dabei sind, gibt’s auch noch eine Lammkrone, sie enthält die schönen, mageren Koteletts. Also dreierlei vom Lamm. Und jetzt geht’s los.
Dreierlei vom Lamm …
Die Schulter flach auf eine Arbeitsfläche legen, salzen, pfeffern und mit etwas Ziegenfrischkäse bestreichen. Dazu vielleicht ein bisschen feingehackter Knoblauch. Dann wie einen Braten zusammenrollen, mit Metzgergarn bardieren, mit wenig Olivenöl bestreichen. Durch die gleichmäßige Form gart unser Braten auch ebenso gleichmäßig und trocknet nicht aus. Auf der Arbeitsplatte verstreue ich jetzt eine ordentliche Menge der besten Herbes de Provence-Mischung, die ich finden konnte. Also nicht das bröselige, graue Zeugs, das ganz hinten im Küchenschrank seit dem letzten Umzug vor sich hin trocknet! Mein Favorit sind seit über 20 Jahren die Freilandkräuter der Familie Liardet aus Sault im Vaucluse, die man inzwischen auch via Internet beziehen kann. Meinen Lamm-Rollbraten reibe ich mit etwas Pflanzenöl ein und salze und pfeffere ihn jetzt auch großzügig von Außen. Dann das gute Stück über die Arbeitsfläche mit der Kräutermischung rollen, bis es von einem gleichmäßigen Kräutermantel umhüllt ist. Mit der Fettseite nach oben in eine große Auflaufform setzen und ab in den auf 140 Grad vorgeheizten Ofen, wo unsere Schulter die nächsten 5 Stunden bleibt. Nach zwei Stunden schalte ich auf 100 Grad zurück und gieße 2 Gläser Rotwein an. Die werden in der verbleibenden Zeit einköcheln, der Braten wird saftig und wundervoll knusprig sein. Die Kräuter und das Fleisch werden eine herrliche Symbiose eingegangen sein und Ihre Gäste werden an dieses Osteressen noch lange zurückdenken. Als Koch haben Sie noch mehr davon, denn der köstliche Duft wird alsbald das ganze Haus durchziehen, lange bevor die Gäste kommen. Aber nicht gleich alles wegschnuppern! ?
… mit zweierlei Paprikacrème
So. Jetzt hat man einige Stunden Zeit und könnte in aller Ruhe Wein einkaufen, seine Eltern anrufen oder mit einem Mittagsschlaf seine Kräfte wieder herstellen. Ich rate zu Letzterem, denn das Lamm produziert nur sehr wenig bis gar keinen Bratensaft, der sich irgendwie zur Sauce ausbauen ließe. Man muss also irgendwann wieder zurück an den Herd. Sauce? Es könnte jetzt eine sahnige Gemüsesauce mit Knoblauch sein, vielleicht auch ein Steinpilzsößchen mit Fleischfond oder etwas ganz anderes. Ich entscheide mich für eine rote und eine gelbe Paprikacreme, das ist delikat und dennoch leicht. Wenn es gelingt, reife, schon etwas weiche Paprika mit ein wenig angerunzelter Haut zu bekommen, wird es die perfekte Essenz des Paprika-Aromas!
Dazu wird zunächst die gelbe Paprika von ihrer Haut befreit. Und weil der Backofen belegt ist und die beliebte Methode “brutale Hitze, bis die Paprikahaut platzt”, jetzt nicht möglich ist, machen wir das entweder vorher oder eben jetzt, dann aber mit seinem superscharfen Schäler, den man als Koch von Ehre im Hause haben sollte. Danach wird die Paprika entkernt und in kleine Würfel geschnitten. Gerne auch eine oder besser zwei Schalotten fein würfeln. Paprika- und Schalottenwürfel mindestens 15 Minuten bei geringer Hitze in Butter und etwas neutralem Öl dünsten. Jetzt mit einem Glas Geflügelfond aufgießen und diesen einkochen lassen. Ist der Fond verkocht, erneut mit Fond aufgießen und mindestens auf die Hälfte einkochen lassen. Mit dem Pürierstab wird jetzt alles feinst zerkleinert, bis eine Paprikacreme entstanden ist, die nun mit Salz, weißem Pfeffer, etwas Zucker und bei Bedarf einem Schuss Sahne finalisiert wird. Das Ganze wiederholen wir mit der roten Paprika, aber natürlich kann man die beiden Cremes auch parallel machen. Bei der roten Paprika geben wir am Schluß noch einen halben Teelöffel Chiliflocken hinzu, besser wäre Piment d’Espelette, das neben Schärfe auch eine ganz subtile, süßliche Note hat. Die beiden Cremes kann man abgekühlt bereitstellen und erwärmen, wenn das fröhliche Tafeln beginnt. Die Debatte darüber, ob nun die gelbe oder die rote Crème besser ist, wird nicht so schnell beendet sein.
Gleich geschafft!
Gleich ist der Braten fertig. Jetzt werden die kleinen Filets gesalzen und gepfeffert, mit frischem Salbei oder Rosmarin belegt und in eine Scheibe Bacon oder besser: Parmaschinken eingerollt. Die kleinen Pakete werden jetzt in der Pfanne oder auf dem Grill gewendet, bis die Schinkenhülle kross, aber noch saftig ist und dann im Ofen beim Braten warmgehalten. Nur noch schnell die nach Geschmack gewürzten Koteletts (heute mal 3-4 Stunden mariniert in Olivenöl, feingehacktem Knoblauch, Piment d’Espelette und getrocknetem Bohnenkraut) aus der Lammkrone auf den Grill und alle zu Tisch rufen. Beim Anrichten kann man das Fleisch schön mit den beiden farblich wie geschmacklich sehr prägnanten Cremes garnieren. Zu diesem Essen passt schön ein Artischockengemüse oder feine Böhnchen. Und wer ohne Kohlenhydrate nicht kann, macht dazu vorher ein Kartoffelgatin fertig. Betonung auf “vorher”, denn der Backofen ist ja belegt. Wein: Am Ostersonntag darf dazu ein ordentlicher Châteauneuf du Pape (2012) ins Glas. Wenn es bereits schön sonnig ist: vielleicht auch ein kühler Tavel-Rosé. Und hier nochmal alle Zutaten:
Für 6 Personen:
1 Lammschulter ohne Knochen
1 Lammkrone, in Koteletts geschnitten
6 Lammfilets
6 Scheiben Parmaschinken, ersatzweise Bacon
1 kg gelbe Paprikaschoten
1 kg rote Paprikaschoten
4 Gläser Geflügelfond (noch besser selbstgemacht und eingefroren)*
5 EL Kräuter der Provence
1-2 Knoblauchzehen, feingehackt
3-4 Schalotten
Salz, Pfeffer, Zucker, Piment d’Espelette
Olivenöl
Bei Bedarf Sahne
*Statt Geflügelfond geht auch milde Gemüsebrühe oder Weißwein, dann wird die Creme etwas “gemüsiger”. Die Fond-Variante kann aber mit dem Fleisch besser mithalten.
Das Foto habe ich im Vaucluse, nicht weit vom Mont Ventoux, gemacht. War das lecker. À bientôt!
AH 7. April 2017 @ 19:09
Tolles Bild. Macht Appetit!
Thine 7. April 2017 @ 17:11
Hab Hunger. Komme jetzt nach Hause.