Wolfsbarsch für gesunde Esser
„Ich habe Magenweh“, murmelt Frau Knauber beim Aufwachen. Es ist Tag drei unseres Urlaubs an der sonnigen Adria, als meine kulinarischen Träume zerbröseln. Was wollte ich alles kochen! Milchlammschulter mit Caponnata, Pulposalat, Gamberoni mit Aïoli, Thunfischsteaks und und und. Stattdessen finde ich mich in der Apotheke gegenüber der Kirche des zu Lebzeiten sehr genügsamen heiligen Francesco d’Assisi wieder. Und statt ganz dicker Fische kaufe ich Maaloxan. Statt wildem Spargel und Kalbskarrée wandern Haferflocken und Bananen in meine Einkaufstasche. Und statt Grappa und Nero di Troia greife ich leicht angewidert zu einer Packung Kamillentee. Liebe geht eben durch den Magen, auch in schlechten Zeiten. Frau Knauber litt. Und ich litt mit ihr – meistens jedenfalls. Aber nicht immer.
Bisweilen entwickeln ja Menschen, die freiwillig oder gezwungenermaßen auf Genüsse verzichten müssen, einen gewissen Puritanismus, der früher oder später auf andere ausgedehnt wird. Wenn ich mir dann abends zu meinem Schinken, meiner Ziegenricotta und meiner Mortadella ein Gläschen Rosé eingoss, konnte ich ohne aufzuschauen Frau Knaubers Blicke spüren. War es nur Bedauern über ihr fades Wasserglas im Angesicht meines funkelnden Rosé? War es vielleicht ein leichter Neid? Oder war es gar so, dass sie missbilligend die Gläser mitzählte? Ich werde es nie erfahren, da ich ja nicht hinschaute und schon gar nicht darüber sprechen wollte.
Nach vier langen Tagen mit Tee und Haferflocken bekam ich dann endlich grünes Licht für ein möglichst magenfreundliches mediterranes Gericht. Im Fischladen fielen mir zwei wunderbare Wolfsbarsche in die Hände, Branzino nennt man sie in Italien, und in Frankreich Loup de mer. Im Gemüseladen um die Ecke hatte Angelo gleich Ideen, wie ich die Fische zubereiten sollte. „Magenfreundlich? Al forno, mit Kartoffeln, Tropea-Zwiebeln und Zitronen!“, lautete die Empfehlung. Und so geschah es:
(für 2 Personen)
2 schöne Wolfsbarsche, ca.1,2 kg Gesamtgewicht, ausgenommen und entschuppt
6 mittelgroße Kartoffeln, festkochend
1 rote Zwiebel (Tropea für die Italien-Fans, Roscoff für die Frankophilen, rote Zwiebel für alle Übrigen), in mittelfeine Ringe gehobelt
1 Bio-Zitrone mit unbehandelter Schale, in 6 Scheiben geschnitten
Olivenöl
Pflanzenöl
Weißer Pfeffer
Schwarzer Pfeffer
Fleur de Sel
Für die Kräuterkruste:
8 Stängel Petersilie (nur die Blätter, fein gehackt)
3 TL Semmelbrösel
1/2 Zehe Knoblauch, fein gehackt
5 EL Pflanzenöl
Zuerst die Kartoffeln in gesalzenem Wasser 15 Minuten ankochen, abkühlen lassen und schälen. Dann in mitteldicke Scheiben schneiden und beiseite stellen. Die Zwiebelringe in einer Pfanne in Pflanzenöl glasig werden lassen und die Hitze abstellen. Die Kartoffelscheiben nun in der Pfanne mit den Zwiebeln mischen, salzen und pfeffern, hier kommt der schwarze Pfeffer zum Einsatz.
Jetzt die beiden Fische außen und im Bauchraum zart salzen und sachte mit weißem Pfeffer bestreuen. 1-2 Scheiben Zitrone in den Bauch stecken. Die Fische nun an der dicksten Stelle drei Mal auf jeder Seite quer einschneiden und in eine große Auflaufform setzen. Die Kartoffel-Zwiebelmischung um die Wolfsbarsche verteilen lose mit den restlichen Zitronenscheiben belegen und großzügig mit Olivenöl beträufeln. Zuletzt werden die Zutaten für die Kräuterkruste vermischt. Diese Petersilien-Semmelbrösel-Knoblauch-Öl-Mischung auf die Oberseite der Fische streichen.
Unsere beiden Prachtbarsche kommen damit wohl präpariert für 20 Minuten bei 220 Grad in den Backofen (Umluft). Zeit, den Tisch zu decken, den Weißwein zu öffnen und die Teller vorzuwärmen. In den letzten Minuten geht es ein bisschen um die Balance zwischen Optik und Konsistenz: Die Kartoffeln und Zwiebeln sollten ganz leicht gebräunt sein, der zarte Fisch darf aber nicht trocken werden – und keinesfalls darf die Kräuterkruste verbrennen. Ab und zu also mal einen Blick in den Backofen werfen, die Temperatur regulieren, es lohnt sich: Am Ende serviere ich zwei wunderbar duftende Teller mit schonend gegartem, zartem Fisch für die glücklicherweise fast wieder gesunde Frau Knauber und mich.
Fast wieder gesund. Als ich ihr den Wein, einen köstlichen Pietrabianca Chardonnay aus dem Castel-del-Monte-Gebiet nachschenken will, wehrt sie bedauernd ab: „Nein danke, ich muss noch ein bisschen vorsichtig sein“. Achselzuckend fülle ich mein eigenes Glas nach. Und ich spüre, wie mich wieder ihr Blick trifft. Ich hoffe, Frau Knauber ist bald ganz und gar wieder hergestellt. À bientôt!