Wachteln spachteln wie im Paradies
Als dem Volk Israel beim Exodus der Proviant knapp wurde, fiel – der Bibelkundige wird sich erinnern – Manna vom Himmel. Das war für die antiken Migranten nicht nur eine Überraschung, sondern die Rettung. Aber vor dem Manna kamen die Wachteln: Ein riesiger Schwarm der kleinen Hühnervögel wurde vom Wind in das Lager der hungrigen Wandersleute angeweht, das Volk Israel feierte ein unerwartetes Festmahl und seitdem sind gebratene Wachteln, die uns in den Mund fliegen ein sprachliches Bild, das mit der Vorstellung vom paradiesischen Schlaraffenland eng verbunden ist. Nachzulesen im 2. Buch Mose.
Zum Glück müssen wir heute nicht jahrelang durch die Wüste ziehen oder auf ein Wunder hoffen, wenn wir uns ein paar leckere Wachteln wünschen. Der Gang zu einem gut sortierten Geflügelhändler oder ein paar Klicks beim online-Lieferanten machen es uns einfacher. Erstaunlich ist nur, dass sie nicht öfter auf Speisekarten und in privaten Küchen zu finden sind. Vielleicht, weil sie so klein sind und so wenig dran ist? Am Preis kann es jedenfalls nicht liegen, denn die Zeiten, in denen Wachteln ein Luxusgut auf den Tischen feudaler Jagdgesellschaften waren, sind lange vorbei. Unsere heutigen Wachteln werden in Europa lange nicht mehr bejagt und stammen allesamt aus der Zucht, was sie erschwinglich macht. Und man braucht nicht zu fürchten, beim Essen auf Schrotkugeln zu beißen.
Es gibt viele sommerliche Rezepte, bei denen die Vögelchen im Ganzen mit Rosmarin und Knoblauch gebraten werden. Ich entschied mich dagegen, weil nach meiner Erfahrung kurzgebratene Schenkel und Brüstchen eine echte Delikatesse sein können, die Wachtel im Ganzen aber schon mal trocken werden kann. Stattdessen entwickelte sich in meinen Gedanken eine Wachtel-Steinpilz-Pfanne, die vielleicht etwas herbstlich anmutet, aber nach einem heißen Tag eine würzige und aromatische Überraschung für uns wurde. Fast ein kleines Wunder.
(2 Personen)
Schenkel und Brüste von 6 Wachteln; die Karkassen nicht wegwerfen, daraus lässt sich ein schöner Fond ziehen!
1 rote Zwiebel, fein gewürfelt
1 dicke Zehe Knoblauch, fein gewürfelt; ich nehme einen Knoblauchschneider, damit die Würfel gleichmäßig werden und nicht die einen Würfelchen verbrannt sind, bevor die anderen halbwegs gar werden
1 Hand voll getrockneter Steinpilze, eingeweicht und küchenfertig
1 EL Speckwürfel
8 Streifen Bacon
4 getrocknete Pflaumen
4 kleine, getrocknete Datteln
1 Schuss Grappa aus dem Eichenfass oder Cognac
1 Espressotasse Sahne
1 kleine Tasse Geflügelfond
schwarzer Pfeffer, aus der Mühle oder gemörsert
Salz
1 Lorbeerblatt
4 Zweige Petersilie, feingehackt
Zuerst die Datteln und Pflaumen jeweils mit einem Streifen Bacon umwickeln und in einer Pfanne braten, bis der Speck eine schöne Farbe hat. Warmstellen. In der Pfanne jetzt in etwas Pflanzenöl die Wachtelteile von beiden Seiten knapp anderthalb Minuten bei höherer Temperatur knusprig braten und ebenfalls warmstellen. Danach kommen die Zwiebeln in die Pfanne und dürfen bei mittlerer Hitze drei bis vier Minuten anschwitzen. Nun die eingeweichten, trockengetupften Steinpilze mit den Speckwürfeln hinein und zwei bis drei Minuten mitbraten. Jetzt die Petersilie und den Knoblauch hinzugeben. Der braucht nicht lange, um schon zu diesem Zeitpunkt seinen köstlichen Duft abzugeben.
Nun wird abgelöscht, und zwar mit Cognac oder bernsteinfarbenem Grappa aus dem Eichenfass, bevor wir den Geflügelfond angießen. Jetzt das Lorbeerblatt hinein und alles einkochen lassen. Zuletzt kommt noch ein bissl Sahne in die Pfanne, und auch die darf ein wenig einkochen. Großzügig pfeffern und vorsichtig salzen, der Bacon und die Schinkenwürfel bringen nämlich schon eine Portion Salz mit in die Pfanne. Gleich wird gegessen, vorher müssen wir nur noch unsere warmgestellten Wachtelteile und die Pflaumen- beziehungsweise Dattelröllchen in die Pfanne geben und alles bei sehr niedriger Temperatur warmhalten. Wie das duftet! Dazu passt gut ein leicht gekühlter Pinot Noir oder noch besser: ein kühler Brouilly aus dem Beaujolais. Den müssen wir aber aus dem Keller holen, denn der fällt leider nicht vom Himmel. Nicht mal im Alten Testament.
p.s.: Wem das jetzt zu wenig sommerlich ist, der kann natürlich den Cognac und die Sahne weglassen. Geht auch, ist aber eindeutig weniger paradiesisch.
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