Von Suppe, Dutt und Teriyaki
Lange, bevor man es “Urban Farming” nannte und dazu Vollbart, Dutt und Tätowierungen trug, begann meine erste Ernte. Da war sie also, meine erste selbstgezogene Tomate. Schön dunkelrot und direkt vom Strauch lag sie vor mir. Beim Pflücken hatte sie sich nahezu von selbst gelöst. Ein Anflug von fast bäuerlichem Stolz auf dieses Produkt meiner Arbeit erfüllte mich. Zu Recht. Hatte ich das Tomätchen nicht monatelang gehätschelt, gegossen, vor den Krähen und auch vor speziellen Tomatenkrankheiten beschützt? Bis zu diesem legendären Frühsommer hätte ich zum Beispiel unter “Braunfäule” wohl eher etwas Politisches oder gar noch Schlimmeres verstanden. Inzwischen wusste ich sehr, sehr viel darüber, auch Dank des Pflanzendoktors im Gartencenter um die Ecke und Dank Wikipedia. Nun lag das alles hinter mir und die Frucht meiner Mühen vor mir. Und eine große Zukunft als Terrassenfarmer. Ich sah mich schon die Marktpreise für Cocktailtomaten im Großraum Berlin manipulieren, träumte von gar von meinem eigenen “Kreuzberger Roof-Top-Ketchup” …
Die große Zukunft fand dann doch nicht statt. Die Krähen waren am Ende hungriger als ich beharrlich war, längere Abwesenheiten von zuhause korrelierten zudem unglücklich mit meiner fehlenden Fähigkeit, eine Bewässerungsanlage zu programmieren. Schließlich untergrub die Notwendigkeit, diversen Krankheiten der zarten Pflänzchen mit der chemischen Keule zu begegnen, mein Vertrauen in den bedenkenlosen Verzehr meiner Ernte. Dennoch: Den Stolz auf diese erste Ernte kann mir niemand nehmen. Heute also: Tomaten.
Aus Tomaten kann man so einiges machen. “Bringen Sie doch mal ein einfaches Rezept, das schnell geht”, bat mich kürzlich eine Kollegin. Da sie zu den Kollegen gehört, deren Wünschen man sich besser nicht verschließen sollte, kommt sie hier: die schnelle Tomatensuppe. Schnell heißt tatsächlich schnell, weshalb hier und jetzt alle kunstfertig und über Stunden passierten, entfärbten (‘klare Tomatensuppe’, machen wir ein andermal) oder sonstwie komplexen Rezepte entfallen. Und sie schmeckt trotzdem göttlich.
(4 Personen)
1 kg passierte Tomaten oder Tomatenstückchen (außerhalb der Saison auch gern aus der Dose oder dem Tetra-Pack, da dies geschmacklich jeder frischen, aber blassen und wässrigen Holland-Tomate überlegen ist)
20 Cocktailtomaten bester Qualität, halbiert
500 ml Kalbsfond
1 mittelgroße rosa oder weiße Zwiebel, sehr fein gewürfelt
1 große oder 2 kleine Knoblauchzehen, grob geviertelt
Oregano (getrocknet)
Terijaki-Sauce
1 Handvoll Basilikumblätter, in feine Streifen geschnitten
Zucker
Salz
weißer Pfeffer aus der Mühle (wenn nicht vorrätig, bitte besorgen oder das Kochen unverzüglich ein- und Pizza bestellen, denn schwarzer Pfeffer lässt unsere Suppe leicht gräulich und damit nicht tomatig aussehen und sowas machen wir nicht!)
Los geht’s: Die Zwiebel fein hacken und zusammen mit dem Knoblauch 10 Minuten bei geringer Hitze in einer Mischung aus Olivenöl und neutralem Pflanzenöl in einem großen Topf glasig ziehen lassen. Dabei ab und zu ein bisschen rühren, damit nichts anbrennt.
Tomaten zugeben, mit Kalbsfond aufgießen, 1 EL Oregano zugeben. Und 45 Minuten bei halb aufgelegtem Deckel köcheln lassen. Vom Herd nehmen, 5 Minuten abkühlen lassen und die Suppe mit dem Pürierstab gründlich bearbeiten, bis sie sehr homogen ist und keine Stücke von der Tomate oder der Zwiebel mehr erkennbar sind. Zurück auf den Herd und ohne Deckel bis zur gewünschten Konsistenz einkochen. Dann Salzen, pfeffern und nach Geschmack etwas Zucker zugeben, der die Fruchtigkeit der Tomaten etwas unterstreicht. Mit einem Schuss japanischer Terijaki-Sauce abschmecken. Hierbei nicht zuviel des Guten tun: Wir wollen eine geheimnisvolle Würze, vergleichbar mit dem Schatten eines Samurai, keinen Sumo-Ringer.
Zum Schluß die Cocktailtomaten zugeben und die Suppe 10 Minuten ohne Hitze stehen lassen. Die kleinen halbierten Tomaten sind danach fast gar und die Suppe nicht mehr ganz so heiß. Jetzt noch einmal umrühren und servieren. Die gefüllten Teller mit Basilikumstreifen und Knoblauchcroutons bestreuen. Diese Suppe kann man übrigens wunderbar einfrieren, dann schmeckt sie auch noch zu Pfingsten.
Das Interessante an der schnellen Tomatensuppe ist ihre Würze und geschmackliche Tiefe, die durch den Fond und die Terijaki-Sauce erzielt wird, worauf man aber angesichts des intensiven Tomaten-Aromas nicht kommt, wenn man nicht diesen Blog gelesen hat. Was mich interessieren würde: Hat jemand eine gute Idee, welchen Wein man zu einer Tomatensuppe empfehlen könnte? À bientôt und schöne Ostertage!
Das Foto zeigt tatsächlich die oben beschriebene Tomate aus meiner ersten Ernte im Sommer 2011. Einen Namen habe ich ihr nicht gegeben.
p.s. Wer immer schon wissen möchte, woher die Redewendung von der “treulosen Tomate” kommt, der erfährt es hier: http://www.kuechengarten.de/Treulos.htm
Christin T 21. Mai 2017 @ 22:04
Ein Arte Beitrag an den ich bei diesem Blogeintrag und den treulosen Tomaten denken musste: http://www.arte.tv/de/videos/056780-006-A/zu-tisch-im
Viel Hoffnung, dass die Tomatenpflanzen auf meinem Balkon durchhalten, habe ich jetzt aber irgendwie nicht. Nun ja, aber die Tomatensuppe wird es trotzdem bald geben.
Erna Esser 12. April 2017 @ 15:11
Schließe mich dem oberen Kommentar an, was die Qualität des Textes, rohe Zwiebel und meine Freude über Deine Überwindung des Ekel-Glibbers angeht.
AH 11. April 2017 @ 19:16
Da bin ich aber froh, dass du die Tomate inzwischen ins Herz geschlossen hast. Das war ja nicht immer so. Ich erinnere mich an Zeiten, da war der Tomatenglibber für dich so gruselig wie es eine rohe Zwiebel für mich noch immer ist. Schöner Text!