Au Backe, ein kleines Geheimnis
Nach dem Hauptgang aufspringen und vor Begeisterung in die Küche stürmen, um dem Koch zu danken? Irgendwie ein bisschen peinlich, aber ja, bei Toni in der Potsdamer „Villa von Haacke“ stand ich vor ein paar Jahren tatsächlich plötzlich in der Küche, so sehr hatte er mich mit seiner Ochsenbacke begeistert. „Geflashed“ würden jüngere Leute sagen. Die Konsistenz war butterzart und die Sauce von einer tiefen, intensiven Würze, nicht von dieser Welt. Toni freute sich über meine Begeisterung, und Schritt für Schritt erklärte er mir, wie er diese Dinger zubereitet. Und verriet mir auch ein kleines Geheimnis …
Daran musste ich denken, als ich letzte Woche in Berlin-Wilmersdorf unterwegs war. Ich erinnerte mich an einen kleinen „Nah und gut“-Feinkost-Supermarkt in der Güntzelstraße mit einer unglaublichen Auswahl an Premiumfleisch aller Art. Als ich vor der Dry Aged-Vitrine stand und in mein Herz angesichts der Tomahawk-Steaks und US-Entrecotes schon höher zu schlagen begann, fiel mein Blick auf einen appetitlich aussehenden Brocken. „Rinderbacke? Eine? Sie sehen gar nicht aus wie jemand, der nur eine Rinderbacke schmort!“. Also ging ich dann mit zwei Rinderbacken à 600 Gramm und einem großen Bund Röstgemüse in der Tüte nach Hause. In vier Stunden würde Frau Knauber heimkommen, und sie würde staunen. Zu den Bäckchen wollte ich Röstgemüse machen, wie ich es ein paar Tage zuvor bei meinem alten Freund Regis im „Lamazère“ gegessen hatte, einfach köstlich herbstlich.
Rinderbacke mit Röstgemüse
2 Rinderbacken, küchenfertig, d. h. die äußere Fettschicht sauber entfernt
3 Karotten, ungeschält
200 g Sellerie, geschrubbt und in drei grobe Stücke zerteilt
1 Stange Lauch, halbiert
2 dicke Zwiebeln, ungeschält und halbiert
1 ganze Knolle Knoblauch, ungeschält und halbiert
1 Sträußchen getrocknete Kräuter (Thymian, Rosmarin, Lorbeer)
1 Flasche roter Côtes du Rhône
1 Glas Bratenfond
1 Gläschen Grappa
1/2 Weinglas Twany Port
2 EL Tomatenmark
Schwarzer Pfeffer, hier die Mélange Noir von Ingo Holland
Salz
Für das Röstgemüse:
6 nicht zu dicke Karotten, grob geschält und halbiert
6 Petersilienwurzeln, geviertelt
1 Bund Schalotten, geschält und halbiert
eine Prise Zucker
Salz
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Die beiden Backen kräftig salzen, pfeffern und in einem Gusstopf rundum scharf anbraten, herausnehmen und beiseite stellen. Dann die ungeschälten (!) Gemüse anrösten, dabei darauf achten, dass die Zwiebeln an den Schnittflächen viel Farbe bekommen. Nach einigen Minuten das Tomatenmark dazugeben und ein wenig mitbraten lassen. Nun mit dem Grappa und dann mit dem Portwein ablöschen. Wenn der Port in der großen Hitze fast eingekocht ist, das Fleisch wieder in den Topf geben, mit Wein und Fond aufgießen, bis das Fleisch zu drei Vierteln bedeckt ist, Deckel drauf, und bei niedriger Hitze schmoren. Mindestens drei Stunden. Können auch vier Stunden sein, umso zarter werden unsere Ochsenbacken. Nach der Hälfte der Zeit können die beiden Prachtstücke mal gewendet werden.
Diese Zeit braucht das Fleisch auch, weil nur durch langsames, stundenlanges Garen das Collagen in diesem durchwachsenen Stück geschmeidig wird. Jetzt heben wir das Fleisch aus der Sauce, und zwar vorsichtig, es könnte sonst zerfallen, so zart ist es geworden. Die Sauce lassen wir durch ein Sieb laufen, tun das Suppengemüse weg und kochen sie dann um mindestens ein Drittel ein. Das kleine Geheimnis, das Toni mir in seiner Küche in Potsdam verriet, war übrigens, dass das Gemüse in diesem Topf komplett ungeschält mitgart. „In den Schalen steckt der ganze Geschmack!“, erklärte er eindringlich. Und tatsächlich, da ist sie wieder, die Intensität und die tiefe Würze wie damals auf dem Teller in Potsdam. Wer das noch auf die Spitze treiben möchte, kann ein Löffelchen konzentrierten Kalbsfond einrühren, aber das braucht es eigentlich gar nicht mehr. Also nur noch die Sauce binden, das Fleisch wieder dazugeben und auf kleinster Flamme warmhalten.
Nun den Backofen auf Grillstufe mit Umluft stellen und fünf Minuten vorheizen. Das Röstgemüse auf einem geölten Backblech verteilen, salzen und pfeffern, und bei mittlerer Hitze in die Mitte des Backofens schieben. Jetzt keine Angst vor dunklen Stellen! Röstgemüse heißt so, weil es das gut verträgt und dann fast karamellartige Geschmacksnoten entwickelt. 5–7 Minuten in dieser massiven Hitze sollten reichen. Ab und zu das Gemüse ein bisschen wenden und eine Prise Zucker darüber streuen. Wenn die Karotten, Petersilienwurzeln und Schalotten schön angeröstet sind, wird die Hitze auf 250 Grad ohne Umluft reduziert. Nun ein halbes Glas Weißwein angießen. Ist die Flüssigkeit nach ca. 20 Minuten verdampft, sollten die wunderbaren Wurzeln gar sein. Sind sie es noch nicht, einfach ein paar Minuten länger im Ofen lassen.
Jetzt wird serviert. Dazu kann eine rote Granate aus dem Keller geholt werden. Gerne einen kräftigen Minervois oder einen sehr kantigen Langedoc, nur zu filigran darf der Tropfen nicht sein, sonst hat er als Begleiter der Backe keine Chance. Frau Knauber war übrigens begeistert. Aber sie musste nicht vor Enthusiasmus in die Küche laufen, denn da saßen wir ja schon. À bientôt!