Adieu, Lafayette! Nachruf auf ein Paradies
Ende Juli wurde das Lafayette in Berlin für immer geschlossen. Grund genug für einen kleinen, ganz persönlichen Nachruf.
Als es mich vor ziemlich genau 25 Jahren beruflich aus dem genussfreudigen Saarland in das eher nüchterne Berlin verschlug, war das eine große Veränderung. Vor allem, da war ich mir sicher, würde ich kulinarisch in einer Wüste landen. Dass es damals noch keine Sterneküche in Berlin gab, konnte ich verschmerzen. Mir ging es immer schon darum, auch den Alltag lecker zu gestalten. Das konnte ich in Saarbrücken mit hochwertigen Einkaufsmöglichkeiten im Feinkostbereich oder einfach mit einem kurzen Hopp über die französische Grenze. Aber in Berlin?
Wider Erwarten wurde ich gerettet: Ich arbeitete unweit der Friedrichstraße, wo in der Nummer 23 gerade die Galeries Lafayette eröffnet hatten.
Es war so unglaublich, erstmals die Rolltreppe zur Feinkostabteilung hinabzufahren und im Paradies zu landen.
Alles, wirklich alles was in Frankreich in high End-Qualität erzeugt wird, war hier zu finden. Blutwurst Antillaise, Lamm aus Sisteron, Geflügel aus der Bresse, foie gras de Canard vom Stück geschnitten, Rindfleisch vom Charolais. Der nette Metzger mit dem hochgezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bärtchen hatte immer ein freundliches Wort und ein scharfes Messer, mit dem er unvergleichlich hauchdünne, köstliche Kalbs-Schnitzel säbeln konnte. „Noch ein Stück Paté de Campagne oder von der Rosette-Salami aus Lyon?“
Die Käsefrau einen Stand weiter wird mir immer in Erinnerung bleiben. Oft stand ich mit leichtem Herzklopfen vor dem Käsesortiment. Nicht nur wegen des Banon in allen Reifegraden, nicht nur wegen den gefühlt 15 Sorten Bleu oder wegen des getrüffelten Brie, sondern weil ich auch ein wenig verliebt war in diese Käsefrau. Ich vermute, sie hat das gemerkt, aber sie ging 20 Jahren lang mit Takt und einem Augenzwinkern darüber hinweg.
In der Weinabteilung nebenan prostete mir Laurent immer zu, wenn ich vorbeikam. War ich in Eile, winkte ich fröhlich zurück und ging meiner Wege. Hatte ich Zeit, ließ ich mich gern für ein Glas Chablis und ein Schwätzchen an der Theke nieder. Zwischendurch stand ich kurz auf um stellte mir ein paar schöne Flaschen zum Mitnehmen zusammen.
An den Tischen zwischen den Regalen gab es auch viele fröhliche Stunden mit Freunden.
Wir gehen ein Stück weiter. In der Champagner-Bar habe ich mit meinem Freund Jens unzählige Male bei feinstem Sushi und Prickelwasser gesessen, wir nannten das etwas ironisch unsere „Prime time“ in Anlehnung an den köstlichen Film „Lost in Translation“.
Mit einer ebenso sympathischen wie latent dekadenten Freundin war ich oft in der Nähe der Fischtheke zu finden, wenn es wieder hieß „Austern für alle!“. Bevor man ging, konnte man noch eine dicke, dunkelrote Scheibe Thunfisch mitnehmen. Oder an verwegenen Tagen küchenfertig vorbereitete Froschschenkel.
Ach, und die Épicerie. Nur hier bekam ich meinen Melfor-Essig, mehrere Sorten Piment d‘Espelette, Honigsenf von Maille, die unvergleichlichen Picholine-Oliven aus der Provence, das Olivenöl von Alziari aus Nizza…
Ich höre jetzt auf. Aber dann würde ich unzulässigerweise die knusprigen Maccarons oder das saftige Landbrot unterschlagen. Oder den frischen Löwenzahnsalat, die länglichen, knackigen Radieschen, wie ich sie sonst nur auf den Märkten in Südfrankreich gefunden hatte …
Ja, billig war es nie gewesen, wenn ich glücklich, voll bepackt mit duftenden Tüten, die Rolltreppe wieder nach oben fuhr. Aber es war jedes Mal ein Fest. Und viel entspannter und in der Auswahl wirklich besser als im rummeligen, lauten und schwer übersichtlichen KaDeWe.
Das ist jetzt vorbei.
Adieu, Lafayette! Und danke an alle, die dieses kleine Paradies mit ihrer täglich spürbaren Leidenschaft für die besten Produkte dieses Planeten so einzigartig gemacht haben!
p.s.: man wird trotzdem nicht völlig zugrunde gehen im kalten Preußen. Viele Paradeprodukte von bretonischer Butter bis hin zu exquisitem Geflügel aus der Bourgogne findet man inzwischen auch in besseren Supermärkten. Weil sich Qualität eben durchsetzt. Oder man geht gleich zu einer der beiden definitiven französischen Adressen der Hauptstadt: “Chez Bruno” in Zehlendorf oder Sébastiens „Cantine Augusta“ in Schöneberg (und bald auch in der Nähe Savignyplatzes in der Cramerstraße) sind für mich erstklassige Fundorte für das Beste aus dem Land des savoir vivre. Auch hier kann man nach einem Gläschen Beaujolais mit dicken, duftenden Tüten glücklich davonschweben.
Foto: Heike Steiner