Es gibt Orte, an denen man sich einfach freut, dass es sie gibt. Zum Beispiel den Bieberbau in Berlin-Wilmersdorf. Ja, sie haben einen Michelin-Stern. Und nein, hier wird nicht ehrfürchtig der Atem angehalten, wenn der nächste Gang serviert wird und es gibt auch keinen Maitre, der einschüchternd herunterrattert, welcher geräucherte Espuma da an 96 Stunden sous-vide gegarten Ochsenbäckchen auf dem Teller vor sich hin schäumt.
Schon das Ambiente ist wundervoll und irgendwie kurios. Stuck, Stuck und nochmals Stuck bedeckt die Wände, die Türstürze und breitet sich auch zart über dunkle Fachwerkbalken aus. Im späten 19. Jahrhundert erbaute ein berühmter Stukkateur namens Bieber dieses Haus und hat sich dabei mal so richtig ausgetobt. Man könnte sagen, man sitzt in einer märkischen Version des berühmten Pariser “Train Bleu”.
Hier stimmt auch sonst alles. Die Küche ist souverän in Komposition und ihrer kräuter-orientierten Ausrichtung. Da kommen überraschend dezente Würfel vom Knollensellerie mit Feldsalat und Rhabarbergelée, ein Artischockensüppchen und das zarteste Lamm in einer federleichten Jus auf den Teller. Die Preise sind angesichts der Sterneklasse mit 65 Euro für das große Menü sensationell günstig. Fair kalkuliert ist auch die Weinkarte, der man nach genauerer Lektüre dann verzeiht, dass sie ausschließlich aus deutschen Tropfen besteht. Dafür nur die besten, von Bercher über Fürst bis Zilliken. Der Service ist nett und unaufgeregt, kurz: Jederzeit komme ich wieder. Sowas von!
Irgendwie fühlte ich mich hier in Vielem an den “Schwarzen Adler” in Oberbergen erinnert. Bin aber mitten in Wilmersdorf. Das merke ich dann erst, als ich nach zweieinhalb Stunden ohne jedes Völlegefühl wieder auf der Straße stehe. Und mich freue, dass es Orte wie diesen gibt. À bientôt!