Über Trüffel und Freundschaft
Der Kellner gießt etwas Grappa auf den fast wagenradgroßen, längs aufgeschnittenen Parmesan. Er entzündet ihn mit einem langen Feuerzeug, und der Alkohol im Grappa brennt mit heller Flamme, während der Käse langsam schmilzt. Den Löffel in der Hand, kratzt der Kellner von den Seiten des mächtigen Käselaibes noch etwas mehr Parmesan los, der sich dann in den Resten der Flammen ebenfalls träge verflüssigt. Aus der Küche kommt ein weiterer Kellner mit einer Schüssel frisch gegarter, dampfender Tagliatelle, die vorsichtig auf die Käsemasse gegeben werden. Mit Gabel und Löffel wird die Pasta jetzt mit dem flüssigen Parmesan gemischt, mit einer großen Gabel wie ein Kegel aufgerollt und auf einen Teller gesetzt. Einige Umdrehungen mit der großen Pfeffermühle. Und dann der Griff zum Trüffelhobel: Mit hoher Geschwindigkeit werden kleine Scheibchen nicht zu knapp auf den kleinen Nudelhügel gerieben. Dann wird serviert.
Viele Male habe ich das in einer Wilmersdorfer Trattoria erlebt, seit mich mein Freund Dirk Anfang der 90er Jahre einmal dorthin eingeladen hat. Immer wieder haben wir dort gesessen und das Flammen-Ritual genossen, voller Vorfreude auf das, was da gleich auf unsere Teller kommen würde. Auch nachdem die Betreiber der Trattoria mehrfach gewechselt haben, die Einrichtung, die Weinkarte und das Personal nicht mehr die gleichen waren: Der Servierwagen mit dem dicken Parmesan, der Glasglocke mit den kleinen schwarzen Trüffeln darunter und der großen Pfeffermühle daneben stand immer noch am gleichen Platz, wahrscheinlich heute noch.
Trüffel sind selten. Stimmen alle Bedingungen, dann wachsen die duftenden Knollen stetig weiter, über viele Jahre, und werden dabei immer größer und besser. Wie Freundschaften. Dirk und ich treffen uns nicht ständig, aber wir sind gute Freunde. Alle paar Monate brachten und bringen wir uns seit damals gegenseitig auf den neuesten Stand. Über unsere Jobs, über die guten und weniger guten Beziehungsgeschichten, über unsere Pläne, Ziele und Träume. Viele davon haben sich erfüllt, manches ist ganz anders gekommen. Aber diese Abende waren immer verbunden dem Duft schmelzenden Parmesans und frisch geriebener Trüffel.
Letztens wollte ich dieses Gericht in der heimischen Küche im Rahmen des Weihnachtsmenüs rekonstruieren. Für den Trüffelkauf gibt es sicher bessere Zeitpunkte als kurz vor Weihnachten, wenn die Nachfrage hoch ist und der Preis ebenso. Egal. Einen XXXL-Parmesan wollte ich allerdings auch nicht in die Wohnung rollen, nicht nur wegen des (berechtigterweise) zu erwartenden Gesichtsausdrucks von Frau Knauber. Also habe ich es etwas anders gemacht:
(4 Personen)
250g Hartweizen-Pasta extra Fine von “PPURA” (oder normale Tagliatelle, aber die PPURA sind hauchdünn, in drei Minuten gar und zusätzlich auch in einer Variante mit italienischem Bio-Trüffel erhältlich)
0,3 ml Schlagsahne
200 g junger Parmesan, sehr fein gerieben; jung deshalb, weil er sonst geschmacklich dem Trüffel keine Chance mehr geben würde
50g Trüffelbutter
1 schwarzer Trüffel
schwarzer Pfeffer
Salz nach Geschmack
Zuerst die Pasta in kochendes Wasser hinein. Die Sahne parallel dazu erhitzen, bis sie fast kocht. Dann den geriebenen Parmesan nach und nach hineingeben, er löst sich in der Sahne restlos auf. Die Sahnecreme durch rühren in Bewegung halten. Jetzt muss alles sehr schnell gehen. Die Käse-Sahne über die soeben gar gekochten und abgetropften Nudeln gießen, Flöckchen von der Trüffelbutter dazugeben und gut vermischen. Zum Schluss nur noch ordentlich pfeffern, wie oben beschrieben auf vorgewärmten Tellern platzieren und den Trüffel darüberreiben. Fertig. Nein, das ist jetzt keine große Kochkunst. Es ist auch nicht billig. Und es ist auch nicht wirklich leicht. Aber saulecker. À bientôt!
p.s.: Dazu hatten wir einen kräftigen Weißwein von der südlichen Rhône, ein Roter aus dem Piemont würde sicher auch sehr gut passen. Aber Dirk mag keinen Rotwein. Ich sollte ihn mal wieder anrufen.
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