Sizilianische Calamari mit Hand und Fuß
Italienisch ist mehr als eine Sprache. Das wird mir klar, als ich im Flieger von Basel nach Bari zwei ältere italienische Herren beobachte. Sie sitzen einige Reihen vor mir und unterhalten sich angeregt über den Mittelgang hinweg. Verstehen kann ich nichts, da ich außer Hörweite bin. Muss ich auch nicht, so kann ich viel besser auf die Gestik achten. Die Hände und Finger sind immer in Bewegung. Sie wedeln, beten, stechen zu, schaufeln etwas zur Seite, sie zeigen in die Ferne, formen Sprechblasen, werfen imaginäre Gegenstände weg, sie wischen durch die Luft, sie rudern, spielen Klavier und fassen den Gesprächspartner eindringlich an. Zwischendurch werden für mehr Bewegungsfreiheit immer wieder die Ärmel des Pullis hochgezogen.
Und wo die Hände nicht reichen, gibt es Ganzkörpereinsatz. Der Oberkörper ist in Bewegung, beugt sich ruckartig vor, es wird im Sitzen gedribbelt und gewippt. Über eine Stunde betrachte ich amüsiert und fasziniert dieses Schauspiel. Bei der Landung fällt durch ein Seitenfenster ein einzelner Sonnenstrahl auf diese pantomimischen Hände. Ich lerne gerade mit einer App Italienisch, aber in diesem buchstäblich leuchtenden Moment wird mir klar, dass man eigentlich auch simultan die zu den Vokabeln passenden, expressiven Gesten lernen müsste.
Um was sich das intensive Gespräch der beiden Herren gedreht hat, weiß ich nicht. Die große Entschiedenheit der Debatte ließ mich aber vermuten, dass es um etwas sehr Wichtiges gegangen war. Zum Beispiel um die korrekte Zubereitung von gefüllten Calamari nach sizilianischer Art. Dieses schöne Rezept widme ich unbekannterweise meinen beiden Mitreisenden:
(Für 2 Personen)
4 Calamarituben (ca. 600 g) küchenfertig, mit Tentakeln
Für die Füllung:
1/2 Fenchelknolle, fein gewürfelt
Fenchelgrün, gehackt
3 große Mangoldblätter, blanchiert und fein gehackt
1 Zwiebel, fein gewürfelt
3 Zehen Knoblauch, fein gewürfelt
3 Sardellen, fein gehackt
4 EL angeröstete Pinienkerne
Schale einer Zitrone, in Zesten, dann fein gehackt
5 Zweige Petersilie (nur Blätter), fein gehackt
50 g Parmesan oder Peccorino, gerieben
50 g Semmelbrösel
1 TL Oregano (getrocknet)
1 TL Piment d‘Espelette
2 EL Fenchelsamen, fein gemörsert
5 EL Zitronensaft
Weißer Pfeffer
Salz
Wer die Vorbereitung all dieser Zutaten hinter sich hat – man sollte dafür Zeit einplanen – hat das Ärgste schon hinter sich, denn nach dem ganzen Schnippeln und Würfeln geht es recht schnell.
Die Würfel von Zwiebel und Fenchel 10 Minuten in Olivenöl bei geringer Hitze glasig andünsten. Sardellen, Knoblauch und Petersilie hinzugeben, die Temperatur hochziehen und nach 3 Minuten alles in eine Schüssel umfüllen, die übrigen Zutaten für die Füllung zugeben und alles gut mischen. Fehlt es an Geschmeidigkeit, kommt noch etwas Olivenöl hinzu. Bei Bedarf mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Calamarituben dicht füllen und an der Öffnung mit einem Zahnstocher verschließen. In eine Auflaufform setzen, die restliche Füllung mit hineingeben, einen Schluck Weißwein angießen und für 20 Minuten bei 230 Grad in die Röhre. Serviert wird zum Beispiel mit einer leichten Tomatensauce.
Der Duft lockt Frau Knauber an und sie will wissen, was da auf den Teller kommen wird. Als ich ihr enthusiastisch das Rezept vortrage, schaut sie mich intensiv an und fragt: „Das hört sich richtig gut an. Aber sag mal, warum fuchtelst Du eigentlich neuerdings beim Sprechen ständig mit den Händen?“ À bientôt!
p.s.: Vier Calamari waren zu zweit nicht ganz zu schaffen. Einer blieb übrig. Am nächsten Tag bei Zimmertemperatur aufgeschnitten ergab sich so eine köstliche Vorspeise, denn die Aromen der Füllung hatten sich noch intensiver verbunden. Nach dieser Erfahrung werde ich die leckeren Tuben künftig möglichst schon am Vortag zubereiten.