Pilgerfahrt nach Palästina
Ob es geschmeckt hat? Tief im Inneren spürt das natürlich jeder, der öfter am Herd steht, irgendwie. Schöner ist es aber, wenn man es genau weiß. Kochen ist für mich deshalb immer auch eine Pilgerfahrt zu den fast unfehlbaren Geschmacksnerven meiner Frau. Frau Knauber ist für meine Kochversuche nämlich die wichtigste Kritikerin.
Schwachstellen findet sie sofort. Zum Beispiel, wenn die Fenchelsamen im Gemüsegratin keine so gute Idee waren oder die Zwiebeln beim Anbraten etwas zu viel Farbe abbekommen haben. Wenn ich auf Nummer sicher gehen will und eines ihrer Lieblingsgerichte koche, hinterfragt sie zielsicher, ob ich nicht beim vorletzten Mal eine optimalere Garzeit gewählt hatte. Sie formuliert das dann immer in freundlicher Beiläufigkeit. Wahrscheinlich, weil sie mich in kulinarischen Fragen für empfindlich hält. Womit sie richtig liegen könnte.
Manchmal, ganz selten, schleckt Frau Knauber auch enthusiastisch den Saucenlöffel ab. Aber oft bewertet sie auch gelungene Kreationen eher zurückhaltend. Wahrscheinlich, weil sie denkt, dass zu viel Lob meine Eitelkeit fördern könnte. Damit liegt sie natürlich falsch. Dieses palästinensische Zitronenhühnchen hatte den Test bestanden: „Das kannst Du bitte ganz bald wieder machen“, so kommentierte sie dieses Gericht mit großen Augen und begann sogleich zu überlegen, wem aus unserem Bekanntenkreis dieser orientalische Teller besonders gefallen könnte. Viele Wege führen den Pilger vielleicht nach Palästina. Dieser aber ganz sicher.
(für 3-4 Personen)
3 Bio-Zitronen
6 Hühnerkeulen bester Qualität, in Ober- und Unterschenkel geteilt
2 Zwiebeln, halbiert und die Hälften in jeweils 3 Spalten geschnitten
2 ganze Knoblauchknollen, ungeschält und quer halbiert
1 TL gemahlene Pimentkörner
4 EL Zatar (orientalische Gewürzmischung, inzwischen oft auch in gut sortierten Gewürzregalen in manchen Supermärkten erhältlich)
90 ml Olivenöl
200 ml Geflügelfond
3 Zweige Petersilie, fein gehackt
Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Am Vortag zwei Zitronen in 5 mm dicke Scheiben schneiden, mit einem Zestenschneider die dritte Zitrone abschälen und die Zesten fein hacken. Die geschälte Zitrone auspressen und den Saft zusammen mit den Zesten, den Zitronenscheiben den Hühnerteilen, Zwiebelspalten, den halbierten Knoblauchknollen, der Hälfte des Zatar, dem gemahlenen Piment, 2 EL Zatar, der Hälfte des Olivenöls und dem Fond in eine Schüssel geben. Pfeffern, gut vermischen und abgedeckt 24 Stunden im Kühlschrank durchziehen lassen. Zwischendurch mal wenden, damit das Huhn viel Kontakt mit der Mariande hat.
Am folgenden Tag sollte die Schüssel ein paar Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank genommen werden, damit das präparierte Hühnchen vor der Garung Zimmertemperatur annimmt. Den Backofen auf 200 Grad Umluft vorheizen. Nun die Hühnerstücke in einer ofenfesten Schale verteilen, die Marinade mit den Zitronen, Zwiebelspalten und Knoblauch darüber gießen. Das Ganze mit weiteren 2 EL Zatar und Petersilie bestreuen. Nun noch salzen, großzügig mit dem restlichen Olivenöl beträufeln und für eine knappe Stunde ab in den Backofen. Schon nach 20 Minuten erfüllt ein unbeschreiblicher Duft die Küche und am Ende schmeckt es wirklich so lecker, wie es aussieht! Dazu passt ein griechischer Retsina oder ein leichter Fiano aus Apulien. À bientôt!
p.s.: Zwei Köche, die Kochfans rund um die Welt einen neuen Horizont aus Düften und Aromen geöffnet haben, sind Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi, ein israelisch-palestinensisches Kochduo. Mit ihrem Wahnsinns-Kochbuch „Jerusalem“, das vor einigen Jahren herauskam, setzten sie Maßstäbe für die Verbreitung einer Küche voller verwegener Aromen und Intensitäten, an die sich zuvor so nur Eingeweihte herangetraut hatten. Einer der beiden, Sami Tamimi hat kürzlich mit „Palästina“ nachgelegt und ich kann es nur allen wärmstens empfehlen, die den Pilgerpfad von „Jerusalem“ fortsetzen wollen. Aus diesem Buch stammt auch dieses fabelhafte Zitronenhühnchen.