Wenn meine Mutter uns besuchen kommt, ist immer was los. Die 746 Kilometer von Saarlouis nach Berlin sind für sie kein Problem. Bis vor wenigen Jahren fuhr sie die Strecke noch selber mit dem Auto, jetzt, über 80, reist sie immer noch gerne, aber lieber mit dem Zug oder dem Flieger. Wenn sie da ist, haben wir immer viel zu Lachen, denn wir haben eine tolle gemeinsame Wellenlänge und zusammen sprudeln wir schon mal über vor Humor. Das war so, als ich zehn war und ist mit fünfzig immer noch fröhlich unverändert. In Mutters Gepäck kommt immer was aus der Heimat mit. Letztes Mal war das knackiger, marktfrischer Löwenzahnsalat. In den meisten Regionen Deutschlands ist diese Delikatesse bestenfalls den Stallhasen als Futter bekannt. Im Saarland und anderen grenznahen Regionen zu Frankreich wird aus den aromatisch-bitteren Blättern – zusammen mit etwas Speck und Kartoffeln – ein köstlicher Salat gemacht, auf den ich mich das ganze Jahr freue.
Doch in Mutters Koffer gab es auch noch ein Paket mit gut eingeschweißtem Speck, im Saarland als Dürrfleisch bekannt. Es ist nicht so, dass es Speck nicht auch in Berlin geben würde, aber – der Name „Dürrfleisch“ ist Programm – das heimatliche Produkt ist sehr gut abgehangen, etwas trocken von der Konsistenz, ganz mild geräuchert und deshalb auch viel prägnanter im Geschmack. Ganz ähnlich wie der aus Tirol, aber ohne das dominante Raucharoma.
Diesen wunderbaren Speck also brauchten wir nicht nur für den Salat, sondern auch für die „Geheirate“. Das wiederum ist mein saarländisches Lieblingsgericht, eine Mischung (=Verheiratung, daher der Name) aus Mehlknödeln und Kartoffeln in einer pikanten Speck-Sahne-Sauce. Nix für Kalorienzähler. Nach dieser Köstlichkeit sollte es schon bald in unserer Küche duften, mitten in Berlin. Manche Wunder bringen halt nur Mütter zustande!
Und so hat sie es gezaubert:
(Für 4 Personen)
4 Eier
500 g Mehl
250 ml Bier
Salz und weißer Pfeffer
Muskat
750 g Kartoffeln, geschält und in grobe Würfel von ca. 2 cm Kantenlänge geschnitten.
150 g Dörrfleisch oder magerer Speck, mittelfein gewürfelt
350 ml Sahne
Petersilie, oder, noch besser Schnittlauch, fein gehackt
Für den Löwenzahnsalat:
500 Gramm Löwenzahn, am liebsten der gelbe
1 mittelgroße Zwiebel, nicht zu fein gewürfelt
1 Zehe Knoblauch, feingehackt
1 Esslöffel Senf
Salz, weißer Pfeffer
Milder Essig, am liebsten “Melfor”, notfalls weißer Balsamico
Neutrales Pflanzenöl
1-2 Eier (Anzahl ist Geschmackssache!), gekocht, gewürfelt
2 Kartoffeln, gekocht, gewürfelt
150 Gramm leicht geräucherter, magerer Speck oder Dürrfleisch
Wir fangen mit den Knödeln an. Aus Mehl, Eiern und Bier einen zähflüssigen Teig verkneten und mit Muskat, Salz und Pfeffer würzen, auch etwas von der Petersilie hinzugeben. Danach den Teig 20 Minuten ruhen lassen. Und beispielsweise den Rest vom Bier trinken. Oder die Kartoffeln in Salzwasser aufsetzen. Nachdem das Bier leer ist und die Kartoffeln köcheln, geben wir den Teig löffelweise nach und nach ins köchelnde Salzwasser zu den Kartoffeln. Meine Mutter lässt die Masse sachte vom Löffel gleiten, damit der Teig kompakt bleibt und nicht zerfleddert. Während Klöße und Kartoffeln für 15 Minuten gemeinsam fertig garen, bereiten wir den nächsten Schritt vor: Der gewürfelte Speck für die Geheirate wird in einer Pfanne knusprig angebraten.
Nach Ende der Garzeit wird der Inhalt des Kochtopfs durch ein Sieb abgegossen und kommt zurück in den Topf, zusammen mit den Speckwürfeln und der restlichen Petersilie. Nun die Sahne angießen und bei mittlerer Hitze aufkochen lassen. Noch einmal mit Salz und Pfeffer abschmecken. Auf kleinster Flamme warmhalten. Eigentlich ist es jetzt fertig, aber wir kümmern uns noch schnell um den Salat. Wenn alles wie oben beschrieben vorgeschnippelt ist, geht das auch ganz flott.
Den Löwenzahn gründlich waschen und trockenschleudern. Oberhalb der Wurzel abschneiden, verlesen und mit einer Schere in 2 bis 3 cm lange, mundgerechte Stücke schneiden, beiseite stellen. In einer Pfanne den Speck knusprig anrösten, etwas Öl hinzugeben und dann bei mittlerer Hitze die Zwiebelwürfel hineingeben, glasig werden lassen. Gern können jetzt auch die Kartoffelwürfel hinzukommen, damit sie ebenfalls erwärmt werden. Zuletzt kommt für die letzte Minute auch der Knoblauch hinzu. Dann wird alles mit einem Schuss Essig abgelöscht.
Während dieser Brutzelei ein Dressing aus Essig, Öl, Senf, Salz und Pfeffer anrühren. Jetzt darf auch bei meiner Mutter gern ein Spritzer Maggi dazu! Den Salat im Dressing wenden und unbedingt einige Minuten stehen lassen. Zuletzt den warmen Inhalt der Pfanne zum Salat geben, alles nochmal gründlich unterheben und mit den gewürfelten Eiern überstreuen.
Jetzt kann die Geheirate serviert werden. Alleine die Vorstellung treibt mich jetzt fast an den Kühlschrank, um zu schauen, ob ich noch Eier und Speck da habe. Aber ohne Mutter würde es nur halb so viel Spaß machen. Ich freue mich schon darauf, wenn sie beim nächsten Besuch ihren magischen Koffer auspackt. À bientôt!
p.s.: Langjährige Leser werden es gemerkt haben: den Löwenzahn hatte ich schon mal, in einer meiner ersten Geschichten. Weil er aber zur Geheirate dazugehört, habe ich hier ausnahmsweise von mir selbst abgeschrieben. Aber was soll´s. Ist ja keine Doktorarbeit ? Zu meinem Beitrag über Löwenzahn geht es hier: http://www.knauber-kocht.de/…/loewenzahn-alles-andere-ist-s…