T-Bone-Steak-wie-das-muss-sein
Vor vielen Jahren war ich glücklicher und häufiger Stammgast in einem wundervollen Restaurant, das leider schon seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr besteht. Es wurde von einem, sagen wir mal, sehr speziellen und bisweilen etwas mürrischen Bretonen geführt, von dem ich heute erzählen möchte.
Nach dem Selbstverständnis von Monsieur Ronceray im „Jägerhof“ im saarländischen Wallerfangen wurde das Verhältnis zwischen den Gästen und ihm – dem Dienstleister – selbstbewusst umgekehrt: Überhaupt einen Tisch zu bekommen: das große Glück. Nett behandelt zu werden? Absolute Glückssache. Wer zum Beispiel den – aus Sicht des Maître – falschen Wein zum Essen bestellte, wurde je nach Tagesform des Gastgebers freundlich belehrt. Oder auch geschnitten. Die hochgezogenen Augenbrauen des Patrons gehörten irgendwie dazu.
Ich möchte im Nachhinein nicht auf einen einzigen dieser Abende in der „Auberge Jägerhof“ verzichten. Denn fantastisch zu speisen: Das war immer garantiert. Und die Marotten des Chefs waren irgendwann das, was heute recht zutreffend „Kult“ genannt wird. Sehr viel würde ich dafür geben, noch einmal seine Rouille zur Fischsuppe zu kosten oder auch nur noch einmal zu erleben, wie ein typischer Abend im Jägerhof begann: Ohne Pausen, Punkt und Komma wurde die auf eine Tafel geschriebene Tageskarte mit wundervollem Accent vorgetragen: „Vorweg-aben-wir-die-Schneck-aus-die-Bourgogne-mit-ihrer-Buttér-von-die-Knoblauch-mit-Petersil. Oder auch „Eute-gibt-es-die-Königinpastet-frisch-gemacht-mit-die-Kalbsbries-wie-das-muss-sein.“ Schön war auch „Die-Leber-von-die-Kalb-mit-Splalten-von-die-Apfel-in-einer-Calvadosrahmsoß“. Klassische bürgerliche französische Küche also, die mit ihrem konservativen „comme il faut“ keinen modischen Schnickschnack duldete und immer großartig war. Hatte man einmal dort ein Confit de Canard gegessen, wusste man für alle Zeiten „wie-das-muss-sein“ – und würde es nie vergessen.
Was haben wir dort geschlemmt. Mit guten Kollegen, besten Freunden, und den angebeteten jungen Damen, die beeindruckt werden sollten. Es war immer eine Genussreise in der „Auberge Jägerhof“, vom Kir vorweg bis zum Digestif danach. Nach und nach werde ich alles nachkochen, an das ich mich erinnern kann. Ich werde natürlich niemals so gute Ergebnisse wie die überdies oft und leidenschaftlich in ihrer Küche hörbar streitenden Eheleute Ronceray auf den Teller zaubern. Aber mit jedem Teller werde ich die Erinnerung an diese fantastische Küche ein bisschen aufleben lassen.
Einmal gab es „Die-Kotelett-von-die-Kalb-mit-seiner-Sauce-von-die-Försterin“. Als ich gestern bei meinem Lieblingsmetzger ein monströses T-Bone Steak vom Kalb mit einem Gewicht von 800 Gramm erstand, erinnerte ich mich an diesen Teller aus dem Jägerhof:
(für 2 Personen)
1 T-Bone-Steak von ca. 800 Gramm
2 Frühlingszwiebeln, in mittelfeine Ringe geschnitten
15 Champignons, mittelgroß, in jeweils drei dicke Scheiben geschnitten, die kleineren Exemplare halbiert
100g geräucherter Speck, grob gewürfelt
1 Zehe Knoblauch, fein gewürfelt
200 ml Sahne
5 Zweige Petersilie, die Blätter fein gehackt
½ Glas Weißwein
1 kleines Glas Grappa
Pfeffer
Fleur de Sel
Pflanzenöl oder Butterschmalz
1 Prise Cayenne-Pfeffer
Das T-Bone mit Liebe präparieren, dabei die sehnige Fettschicht durchtrennen, sonst verzieht sich das Prachtstück in der Pfanne. Dieses Stück Fleisch hat etwas Hingabe verdient, deshalb nehmen wir es mindestens eine Stunde vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank und massieren Salz und Pfeffer in das Fleisch. Ich nehme hier groben, frisch gemahlenen Malabar aus der Mühle und bestes Fleur de Sel. Danach etwas ruhen lassen. Pflanzenöl oder Butterschmalz in eine Pfanne geben, heiß werden lassen und das T-Bone-Steak hineinlegen. Die Hitze etwas herunterschalten und vier Minuten von jeder Seite anbraten.
Am T-Bone-Steak ist interessant, dass rechts und links des T-förmigen Knochens unterschiedliche Fleischsorten sitzen. Das kleine Stück ist vom edlen Filet, das größere vom wunderbaren Roastbeef. Das schön angebratene Fleisch kommt jetzt bei 85 Grad in den Backofen, wo es fast anderthalb Stunden bleibt, bis es mit 57 Grad Kerntemperatur perfekt gegart ist: durch und durch Rosa, dank der langsamen Garzeit am Knochen. Ich weiß, dass viele den Garungsgrad gern mit dem Daumen testen, aber ich habe die besten Erfahrungen mit einem Temperaturfühler gemacht.
Nun werden die Speckwürfel angebraten, dann kommen die grob geteilten Champignons in die Pfanne. Grob zerteilt, weil wir hier eine Sauce und ein sahniges Champignongemüse in einem machen wollen. Die Pilze sollen also am Ende noch ein bisschen Biss haben. Nun die Ringe von den Frühlingszwiebeln dazugeben und kurz darauf auch die Knoblauchwürfel und die feingehackte Petersilie. Alles gut durchmischen und mit einem Schuss Grappa ablöschen. Der Patron hätte natürlich Marc de Bourgogne verwendet und schon bei der bloßen Erwähnung von Grappa indigniert geschaut. Wie auch immer, wer will, kann jetzt flambieren. Den Weißwein hinzugeben und etwas einkochen lassen. Zuletzt nach und nach die Sahne angießen, immer wieder einkochen lassen und final mit Salz, Pfeffer und einer Prise Cayennepfeffer abschmecken. Fertig.
Frau Knauber staunte zuerst etwas eingeschüchtert über den üppigen, duftenden Brocken Fleisch, als ich das T-Bone aufschnitt. Es blieb nichts übrig. Wie das muss sein. À bientôt!