Schwertfisch mit Ausfallschritt
Die Möwe steht regelrecht in der Luft. Eine halbe Minute, trotz Gegenwind. Dann gleitet sie nach einem fast unmerklichen Flügelschlag am knallblauen Himmel entlang, hin zur glitzernden Adria. Ich könnte stundenlang zusehen. Wer Zeit hat, ein solches Schauspiel zu beobachten, der hat Urlaub. Und Zeit zum Kochen. Und wenn der Urlauber sich dann noch in Süditalien befindet, ganz unten an der Hacke des Stiefels, dann gibt´s Fisch!
Der kleine Laden in der Altstadt unseres Küstenstädtchens sieht pflichtgemäß aus wie ein Fischgeschäft: Neonröhren, Berge von Eis, darauf Kraken, Rotbarben, Doraden, Thunfisch und ein dickes Netz voller Miesmuscheln. Es duftet auch wie im Fischladen, nach Gischt, Tang und Meer und der Verkäufer strahlt uns an. Schwertfisch? Er hebt die Brauen und seine Augen glänzen. Er legt den Schwertfisch-Brocken konzentriert auf ein Schneidebrett. Sein Messer ist so lang wie ein veritabler Degen und hat eine schmale Klinge. Er macht einen Ausfallschritt nach hinten, ganz wie in der Fechtschule, setzt das Messer an und schneidet mit der Präzision eines Chirurgen zwei mitteldicke Steaks. In die Tüte kommen noch zwei kleine Kraken. Unser Abendessen.
Jetzt noch um die Ecke, zum Centro Ortofrutta. „Centro“, das klingt irgendwie monumental, ist aber nur ein zehn Quadratmeter großer Gemüseladen. Der beste. Der immer gut gelaunte Inhaber versammelt in dieser kleinen Bude das feinste, was die Böden der Region hergeben. Da sind vor allem die wunderbaren Tomaten aus der Gegend von Alberobello. Im Großhandel hätten sie keine Chance: Unregelmäßige Größe, nicht so schön wie ihre spanischen Schwestern aus der Zellophan-Hölle um Almeria, dazu mit sehr fester Schale und nach zwei, drei Tagen werden sie unansehnlich. Dafür haben sie ein sonniges, intensives Aroma, bei dem man fast keine Gewürze mehr braucht. Die große Tüte kostet praktisch nichts. Dazu ein bisschen Petersilie, rote Zwiebeln, ein Glas Oliven, Kapern und ab nachhause. Den Knoblauch nicht vergessen! Und noch ein paar von diesen kleinen kirschförmigen, scharfen Minipaprikas.
Frau Knauber wunderte sich anfangs, dass ich im Urlaub immer eine nicht unbeträchtliche Sektion des Gepäcks mit Küchenutensilien belege. Zwei Arbeitsbretter, ein paar superscharfe Messer, ein gutes Küchenhandtuch, die Pfeffermühle und eine kleine Dose Fleur de sel habe ich wieder eingepackt. Inzwischen wundert sich Frau Knauber darüber nicht mehr, denn genau diese Dinge findet man in fast keiner Ferienwohnung vor, und sei sie noch so high-end. Stattdessen bestenfalls stumpfe Messerchen mit Wellenschliff und ein abgerocktes Holzbrett, bei dessen näherer Untersuchung allenfalls sehr erfahrene Mikrobiologen Freude empfinden würden. Mit besten Zutaten und ordentlicher Ausrüstung kann es jetzt losgehen.
Schwertfisch und Pulpo mit apulischem Tomatensugo
(2 Personen)
1 kg kleine Tomaten, in dicke Scheiben geschnitten
2 kleine rote Zwiebeln, fein gewürfelt
2 Zehen Knoblauch, feingehackt
1 Espressotasse Kapern
7 Sardellenfilets, abgespült, getrocknet und fein gewürfelt
12 getrocknete Tomaten aus dem Glas, kleingeschnitten
1/2 Bund Petersilie, fein gehackt
20 schwarze Oliven, entsteint und grob gehackt
1 Kirschpaprika, entkernt und fein gewürfelt
1 EL Oregano, getrocknet
2 kleine Pulpos
2 Steaks vom Schwerfisch
Zuerst die Pulpos in siedendem Wasser eine halbe Stunde garen, die Hitze abschalten und die Tierchen im Sud abkühlen lassen.
Die Zwiebeln mit den Sardellenwürfeln bei mittlerer Hitze in Pflanzenöl andünsten, bis die Zwiebeln glasig sind und die Fischwürfelchen sich aufgelöst haben. Nun den Knoblauch und die Würfelchen von der Kirschpaprika zugeben und einige Minuten weiter dünsten lassen. Nun die restlichen Zutaten hinein, dazu ein Schuss Weißwein und ein Spritzer Weißweinessig. Wenn die Tomaten fast zerfallen und die Konsistenz unseres Sugos dichter wird – und erst dann – mit etwas Salz und Pfeffer abschmecken. Wer in seiner Ferienwohnung Zucker findet, kann ein Löffelchen davon hineingeben. Fertig.
Die Kraken jetzt in ihre einzelnen Tentakel zerlegen und diese in einer Grillpfanne kurz und heftig anbraten, dann beiseite stellen. Den Schwertfisch zart salzen und pfeffern und in der Grillpfanne anderthalb Minuten von jeder Seite braten. Der Schwertfisch ist so butterzart und aromatisch, wie ich ihn in Deutschland noch nie gegessen habe. Der Pulpo ist perfekt, der pikant-würzige Sugo bringt dazu die volle Wucht von tausenden Sonnenstunden, mit denen Apulien gesegnet ist.
Mehr braucht es jetzt nicht mehr. Okay, vielleicht einen eiskalten Negroamaro-Rosé. Den kann man nach dem Essen auch mit auf die Terrasse nehmen. Die Möwen haben jetzt Pause. Dafür geht ein laues Windchen und es funkeln tausend Sterne über der Adria. À bientôt!