Paprika meets Buchenholz
Es gibt Wintergriller und ganz normale Männer. Ich bekenne, ich gehöre zu letzterer Gruppe. Dass mich jemand im Winter auf der nassen, kalten und dunklen Terrasse sehen wird, wo ich dann im eisigen Wind etwas tue, das nun mal im Sommer am meisten Spaß macht, das wird nur sehr, sehr selten vorkommen und dazu müsste schon ein wirklich spektakuläres Stück Fleisch vom Himmel fallen, das besonderer Behandlung bedarf. Bevor jetzt aus der Fankurve die “Warmduscher”-Rufe erschallen: Ich finde nun mal, zum Winter gehören Schmorgerichte, Fondues und dicke Gußtöpfe voller herrlicher, duftender Sachen, die das Haus stundenlang mit ihren Aromen durchziehen. Da kann ich aufs Grillen auch mal ein paar Wochen verzichten. Somit plante ich vor einigen Tagen die gründliche Reinigung und Einmottung des im letzten Jahr stolz erstandenen Webergrills. Ein sauberer Grill gibt dem Mann ja das gute Gefühl, sein Leben irgendwie im Griff zu haben. Wenn man aber schon stundenlang den Grill auseinandernimmt, akribisch putzt, wieder zusammensetzt, das Gas abklemmt und den Grill in die Schutzhülle einpackt, kann man ihn vorher aber ruhig noch mal so richtig einsauen. Auch Pragmatismus gehört zu einem geordneten Leben.
Ich erinnerte mich an ein Essen kürzlich in einem exzellenten Restaurant im Hafen einer apulischen Kleinstadt. Zu zartem Pulpo servierte man dort eine Creme von geräucherter Paprika, und die war der Knaller! Da man mit einer zusätzlichen Räucherbox auch mit dem Gasgrill schöne Raucharomen ans Grillgut bekommt, war der Nachbau dieses Tellers aus der kleinen Locanda der Plan.
Pulpo mit zweierlei Crèmes von geräucherter Paprika
(Für vier Personen)
6 rote und 6 gelbe, sehr reife Paprikaschoten, bei denen die Haut schon ein wenig runzelig sind, die haben nämlich eine spektakuläre, gemüsige Süße
2 Bund Suppengemüse, grob zerkleinert
1 kg Pulpo, vorzugsweise die Tentakel-Arme
Piment d’Espelette oder Chiliflocken
Fleur de sel
Zucker
Die Pulpoarme in einer sehr sanft köchelnden Gemüsebrühe knapp anderthalb Stunden garen und dann in der Brühe abkühlen lassen. Sie werden dann butterzart sein! Für die Brühe die Hälfte des Suppengemüses verwenden. Die andere Hälfte separat mit einem Liter Wasser aufsetzen und eine Gemüsebouillon herstellen, auf etwa 800 ml einkochen.
Jetzt die Räucherbox mit leicht angefeuchteten Buchenholzspänen füllen, auf die Gasbrenner im Grill setzen und den Grill anwerfen. Danach zwei große Metallbräter oder Auflaufformen mit etwas Öl auswischen, die Paprikaschoten hineinsetzen und auf den Grillrost stellen. Deckel zu und ein Bier trinken. Und noch eins. Zwischendurch kann man die Paprikaschoten mal wenden. Wenn der Rauch aus allen Ritzen des Grills quillt, ist man auf einem guten Weg. Nach einer reichlichen halben Stunde den Grill abstellen und die Paprika darin abkühlen lassen. Was man dann ein, zwei Stunden später im Grill vorfindet, sind schrumplige, teilweise ganz schön angebrannte Schoten, die intensiv nach dem würzigen Buchenrauch duften. Die Haut lässt sich jetzt mühelos abziehen, nun noch die Kerne entfernen und übrig bleiben makellose, geräucherte Filets von roter und gelber Paprika. Die schneide ich jetzt in grobe Stücke und gebe sie mit je einem Stück Butter getrennt nach der Farbe bei mittlerer Hitze in zwei mittelgroße Töpfe. Beide Töpfe werden nach ein paar Minuten mit Bouillon aufgefüllt, bis die Paprikastücke eben bedeckt sind und ein paar Minuten geköchelt. Dann mit dem Pürierstab bearbeiten und die feine Creme anschließend abschmecken. Dezent! Es geht jetzt ausschließlich darum, das Paprika-Aroma mit der Räuchernote in den Mittelpunkt zu stellen. Also ein bisschen Piment oder Chiliflocken für die rote Creme, dagegen eine Spur Zucker für die Gelbe, ein wenig Salz – passt.
Diese Paprikacremes kann man übrigens auch variieren, wenn sie anderen Gerichten eine markante Begleitung sein sollen. Glasig gedünstete Schalotten würden die Süße unterstreichen, Geflügelfond statt Gemüsebouillon und ein Guss Sahne würden die Creme auch als Begleiter für geschmacklich intensiveres Fleisch ein wenig aufrüsten. Auch ein Schuss Weißwein würde spannende geschmackliche Reflexe hinzufügen. Das sparen wir uns aber heute alles, denn der zarte, noch einmal kurz angebratene Pulpo braucht jetzt nur das klare, eindeutige Paprika-Rauch-Aroma. Dazu serviere ich einen nicht zu wuchtigen Chardonnay aus dem Barrique, etwa aus dem Friaul, aus der Pfalz oder von der Obermosel. Ihr werdet staunen!
Staunen konnte ich dann auch am nächsten Tag, als ich wie geplant den Grill putzte. Unglaublich, wie viel Ruß und Eingebranntes für die zwei kleinen Schüsselchen voll Paprikacreme entstanden waren! Jetzt steht er da, blitzsauber und ordentlich eingepackt. Ich habe mein Leben irgendwie im Griff. Der saubere Grill macht mich aber auch ein wenig unruhig. Er schreit geradezu danach, zum Einsatz zu kommen. Also vielleicht sollte ich es dann doch mal versuchen mit dem Wintergrillen. À bientôt!