Der Hohepriester der Steinpilze
Francis war eine Legende, als Gastronom, aber auch als Künstler. Viele Jahre betrieb er in Saarbrücken einen In-Italiener in der Nähe des St. Johanner Marktes, später hatte er in Güdingen die wunderbare Felsenhöhe. Daneben gestaltete er Lampen, Möbel und Kunstobjekte, die zum Teil bis heute in einigen Restaurants im Saarland anzutreffen sind. Seine Formensprache war von Picasso ein wenig inspiriert und hatte doch eine ganz eigene Handschrift.
Am Allermeisten liebte Francis den Steinpilz. Ob Ossobuco, Pasta oder Wild, auf Wunsch servierte er zu allem Steinpilze und wenn er über seine liebste Zutat sprach, brach immer der Italiener in ihm durch: Gestenreich und mit erhobener Stimme kam er sofort ins Schwärmen. Er war so etwas wie der Hohepriester der Steinpilze. Einmal hat er mir sogar einen Steinpilz-Schnaps angeboten – Leidenschaft kann einen auch schon mal auf Abwege führen. Als er mich dann mit glänzenden Augen frage, ob ich noch einen möchte, wehrte ich dankend ab. Die Pilz-Liebe von Francis hatte einen guten Grund: Er war ein begnadeter Pilzsucher und kannte im ganzen Saarland die besten Plätze in den Wäldern. Nur ganz wenigen Menschen hat er sie verraten – mich hat er leider nie mitgenommen. Aber meine eigene Liebe zu diesen besonderen Walgewächsen hat er mir tief eingepflanzt.
An Francis musste ich denken, als ich letztens beim Einkaufen unerwartet einen Korb wunderschöner Steinpilze entdeckte. Das Schöne an diesem Pilz ist, dass er so zuverlässig sein dominantes, aber angenehmes und mundfüllendes Aroma entfaltet. Es gibt auch keinen Zweifel, dass die leckere Knolle zusammen mit etwas Knoblauch und einem Schuss Sahne immer eine bella figura macht. Ich ging in die Küche, und als ich die Pilze putzte, musste ich an die vielen mittäglichen Besuche im Restaurant von Francis denken und vor allem an seinen originellen, liebenswerten und pilzverrückten Betreiber. Es wurde dann im Ergebnis eine Pasta, wie ich sie vor über 20 Jahren immer in der „Galleria“ essen durfte.
(für 2 Personen, als Vorspeise)
300 g Steinpilze, küchenfertig geputzt
1 kleine weiße Zwiebel, fein gewürfelt
1 Zehe Knoblauch, fein gewürfelt
1 EL Steinpilzpulver
50 ml Madeira
300 ml Pilzfond
100 ml Sahne (mindestens!)
250 g Linguine
2 EL Schnittlauchröllchen, frisch
Schwarzer Pfeffer
Fleur de Sel
1 Stich Butter
Pflanzenöl
Die beiden schönsten und größten Steinpilze halbieren und in einer Pfanne in einer Mischung aus Butter und Pflanzenöl scharf anbraten. Dann warmstellen, sie sind später der Hingucker auf dem Teller. Nun die übrigen Steinpilze würfeln und auf mittlerer Hitze anbraten. Die Hitze jetzt reduzieren, die Zwiebelwürfel zugeben und alles auf mittlerer Hitze weiterbraten lassen, dabei ab und zu wenden. Nach 5 Minuten die Knoblauchwürfel zugeben. Der Duft, der jetzt schon aufsteigt, ist betörend und ich will in diesem Moment nirgends anders sein als genau hier an meinem Herd.
Danach mit dem Madeira ablöschen und diesen einkochen lassen. Den Pilzfond angießen und einkochen lassen. Zuletzt die Sahne in kleinen Portionen zugießen und weiter leise köcheln lassen. Nun mit Salz (vorsichtig), schwarzem Pfeffer (nicht zu sparsam!) würzen und etwas Steinpilzpulver in die Sauce rühren. Endspurt. Die Linguine fast al dente kochen, aber eben nicht ganz. Abgießen und die Pasta zur Sauce in die Pfanne geben, die Temperatur hochziehen. Hier garen die Linguine nun fertig und saugen dabei auch ein wenig von der Sauce auf. Nach ein oder zwei Minuten kann angerichtet werden. Jetzt nicht die warmgestellten Pracht-Pilze vergessen, die Teller mit den Schnittlauchröllchen garnieren und nochmal beherzt die Pfeffermühle drehen.
Man kann Parmesan dazu reichen, ich lasse es bleiben. Hier regiert der Steinpilz mit seinem unvergleichlichen Aroma. Ich freue mich auf diesen duftigen Teller und hebe mein Glas Vacqueyras auf meinen unvergessenen Francis, den König des Waldes. À bientôt!