Seit Generationen lernen wir in Deutschland, dass man nicht spät essen sollte, weil das nämlich ansetzt und man dann schlecht schläft. Kann ja sein, dass das auch stimmt. Aber es gilt ganz bestimmt nicht in Barcelona. Als wir gegen 18 Uhr die lange Uferpromenade an der Playa de la Bogatel hinter dem olympischen Hafen entlangspazieren, bemerken wir in den zahlreichen Strandrestaurants noch sehr viele Leute, die gerade beim Kaffee sitzen und die Rechnung ihres Mittagessens bezahlen. Ihres Mittagessens. Um 18 Uhr, wie gesagt. Abendessen ist dann selten vor 22 Uhr. Vielleicht liegt es am Meer und seiner Luft, vielleicht ist auch irgendwas in den Tapas, aber alle essen hier unglaublich lang, unglaublich spät und die einzigen, bei denen sichtbar irgend etwas angesetzt hat, sind amerikanische Touristen in 6XL-Klamotten. Und unausgeschlafen wirken eigentlich nur die Reisenden, die müde in die mediterrane Sonne blinzeln und soeben mit der Frühmaschine von Sonstwo aus kalten nördlichen Gefilden angereist sind.
Barcelona. Hat an manchen Stellen etwas von Paris, manchmal denkt man auch an Nizza und in der abendlichen Altstadt gar an Rom oder Lyon. Ist aber Barcelona. Wer diese Stadt noch nicht gesehen hat, kennt sie zumindest aus dem Kino: Woody Allens “Vicky, Christina, Barcelona” oder “Auberge Espagnole”. Schöne, wunderbare Filme. Aber es wäre ein Trugschluss, zu glauben, dass das Leben hier hauptsächlich aus leidenschaftlichen amourösen Verwicklungen besteht. In Wirklichkeit geht es in Barcelona nämlich ums Essen. Die berühmten Markthallen quellen über von Gemüse, Fisch, unglaublich frischen Meeresfrüchten, Käse und Oliven. Die Restaurants sind voll, die Tapas-Bars sowieso. Und wir, mein alter Freund Jens und ich, mittendrin, als Gastronauten gelandet. Die Aufgabe ist spannend: Eine Stadt, zwei Gourmets, drei Tage Zeit.
Solche Touren machen wir seit vielen Jahren, immer um den 1. Mai herum, wenn im heimischen Kreuzberg die traditionelle Straßenschlacht tobt und man eh nicht aus dem Haus gehen würde. Dann zieht es uns immer wieder in spannende Ecken unseres Kontinents. Das Baskenland, Paris, das Bordelais, Katalonien, das Elsass, das Saarland, nach Holland oder nach Lyon. Zum Essen, zum Trinken und um durch die Küche etwas über das jeweilige Land und die Menschen zu lernen. Jetzt also Barcelona. Wir essen in ambitionierten Sterne-Läden und in quirligen Bars, testen neue und alteingesessene Lokale, trinken Weine aus Katalonien, dem Priorat und ganz Spanien. Man lernt eine Kultur durch ihre Küche kennen. Und irgendwann wird alles Eins: die Stadt, ihre Menschen, ihre Geschichte, ihre Architektur und das Essen. Das ist das Ziel unserer Mission. Was uns auf dem Weg zu diesem Ziel alles so passiert ist, könnt Ihr hier in der nächsten Zeit nachlesen. Was von der spektakulären Molekular-Küche übrig geblieben ist, was hiesige Sterneküche mit den traditionellen Tapas zu tun hat, wo knusprige Schweinsköpfe auf der Theke liegen und in welcher finsteren Gasse der gotischen Altstadt man bei netten Leuten quasi im Wohnzimmer zu Abend essen kann: Wir werden es Euch erzählen. Gastronauten-Ehrenwort. À bientôt!