Thunfisch, Formel 1!
“Alle Städte sind gleich, nur Venedig ist ein bissl anders”, schrieb einst Friedrich Torberg. Wie richtig das ist! Als wir vor etlichen Jahren zum ersten mal dorthin reisten, hat uns unser guter Freund Holger ein ganz besonderes Geschenk gemacht: Auf einem Stadtplan hatte er mit kleinen Klebepfeilen Orte markiert, die wir unbedingt sehen sollten. Zu jedem dieser Orte hatte er eine kleine Geschichte geschrieben. Da Holger schon damals ein großer und sehr erfahrener Venedig-Kenner war, waren diese Orte erstens großartig ausgesucht und lagen zudem jenseits der in Venedig ja besonders ausgetretenen Trampelpfade. Wir hatten einige sonnige glückliche Tage und es war die erste gemeinsame Reise von Frau Knauber und mir, auch wenn sie damals noch gar nicht Frau Knauber war. Mittlerweile ist Venedig für uns ein regelrechter Sehnsuchtsort geworden und wir werden immer ein wenig unruhig, wenn seit dem letzten Aufenthalt mehr als ein Jahr verstrichen ist. Den Plan haben wir immer noch, auch wenn er inzwischen fast auseinanderfällt. Wir haben seitdem selber viele Pfeile hinzugefügt und sehr guten Freunden schenken wir manchmal ein Duplikat, das wir eigens dafür herstellen.
Doch zurück zur ersten Reise. Einer der Pfeile auf Holgers Plan gehörte zu einem kleinen Restaurant mit dem Namen “La Colombina”. Nach einem langen Tag unterwegs über die Brücken und durch die Gassen von Venezia waren wir froh, das Lokal gefunden zu haben. Es war Ende März, etwas frisch und wir mussten leider draußen sitzen, so voll war der Laden. Da saßen wir also in unseren Mänteln und bestellten. Zum Glück orderten wir auf Empfehlung des Chefs vorweg das Thunfischtatar. Ich erwartete jetzt nichts Besonderes, denn ich dachte, die sind alle irgendwie gleich. Aber dieses ist ein bissl anders! Es ist sogar absolut genial und so einfach zu machen – wenn es denn Blutorangen gibt und wenn man exzellenten Thunfisch bekommt. Es geht also nicht mit normalen Orangen und auch nicht mit grobfaserigen Thunfischsteaks, sondern nur so:
(für 2 Personen)
200 g Thunfisch in Sashimiqualität, in Würfel von etwa 8 mm Kantenlänge geschnitten
Zesten einer kleinen Blutorange
Saft einer halben Blutorange
Ingwer (etwa Daumengröße), in feinste Würfel geschnitten
4 EL Terijaki-Sauce
etwas fleur de sel
etwas schwarzer Pfeffer
Jetzt geht es ganz schnell. Die Zutaten werden vermischt, dann wird nochmal abgeschmeckt. Fertig. Quasi der Formel-1-Ferrari der Thunfischtatare: Der bitter-süße Blutorangensaft wirkt hier ein wenig wie ein ganz milder Essig, der Ingwer steuert eine köstliche Schärfe bei und die Orangenzesten liefern kleine Geschmacksexplosionen. Mit Terijaki wie immer vorsichtig umgehen, sonst ist alles Subtile überdeckt und die Finesse dahin! Dazu könnte man zum Beispiel einen Prosecco trinken. Oder noch besser einen Franciacorta von Ca del Bosco, mehr Frische gibt es nicht in Flaschen. Letztens habe ich dieses Tatar wieder gemacht. Und gleich einen Flug gebucht. Venedig, wir kommen! À bientôt!
p.s.: Wer jetzt bei seiner nächsten Reise in die Lagunenstadt die “Colombina” ansteuern will, den muss ich übrigens leider enttäuschen. Nach einem Pächterwechsel ist es dort L
längst nicht mehr so gut und dieses Tatar machen sie leider auch nicht mehr. Aber jetzt wisst Ihr ja, wie’s geht.