Wer einmal ein richtig ambitioniertes Restaurant besucht, der bekommt dort schon vor dem Essen etwas zu Essen. Es wird auf kleinsten Tellern serviert, ist wirklich nur ein Mund voll und wird deshalb Amuse geule, zu Deutsch Gaumenfreude, genannt. Also gewissermaßen eine kulinarische Spielart von „klein aber oho!“. In Spanien sind das Tapas, in Venedig Cicchetti und in Bayern nennt man die kleinen Überraschungen angeblich sehr schön „Magentratzerl“. Die Miniportionen aus wenigen, interessant kombinierten Zutaten sollen die Sensorik unserer Geschmacksnerven anregen, die Raffinesse der Küche des Hauses aufblitzen lassen und die Lust auf das folgende, eigentliche Menü vergrößern. Und Sie sollen keineswegs satt machen oder Elemente der gewählten Speisen enthalten. In vielen Restaurants machen die kleinen Kracher auch optisch etwas her: So wird zusätzlich das Auge angesprochen und die Vorfreude auf das eigentliche Essen noch ein wenig mehr angefacht.
Von Zeit zu Zeit möchte ich hier ein, zwei kleine Amuse Geule vorstellen, die zur Saison passen oder die mich auswärts beeindruckt haben. Denn ich finde es auch für eine private Küche spannend, die Gäste mit einem solchen kleinen Gruß aus der Küche abzuholen. Außerdem habe ich mir dafür vor einigen Jahren spezielle Löffel angeschafft, die leider zu selten zum Einsatz kommen. Deshalb gibt es heute zwei Amuse Geules, die ich kürzlich in Frankreich so serviert bekam.
Melonen mit frischer Minze und Jurancon
(Für 5 Personen als Amuse Geule)
150 g gekühlte Wassermelone, fein gewürfelt
(man kann auch das Fruchtfleisch verschiedener Melonen mischen!)
5 Blätter frische Minze, fein gehackt (zusätzlich ein paar Minzblüten wären auch schön)
4 EL gekühlter weißer Süßwein, zum Beispiel Jurancon, Monbazillac oder
Beaumes de Venise; ich hatte hier einen Jurancon Château Jolys, der
neben Süße auch eine sehr delikate, herbe Note mitbringt.
Die Melonenwürfel mit dem Wein begießen und mit der Minze bestreuen. Alles vorsichtig vermischen und fünf Minuten im Kühlschrank durchziehen lassen. Dann auf Amuse Geule-Löffel verteilen und servieren. Die ätherischen Öle aus der Minze und die gekühlte Melone gehen eine spannende, gerade an Sommertagen sehr erfrischende Verbindung ein. So gut, dass man vielleicht auch ein veritables Dessert daraus machen könnte.
Nummer Zwei ist nicht minder spannend: Ein Aromenspiel, das zwischen salzig, pikant und süß daherkommt:
Zucchini mit Ziegenkäse und Mandeln
(4-5 Personen, als Amuse Geule)
1 dünne Zucchini, in drei Millimeter dicke Scheiben geschnitten
3/4 Rolle Ziegenkäse (kleiner Durchmesser)
3 EL Mandelscheibchen
1 1/2 EL flüssiger Honig
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle (Malabar)
1 Messerspitze Piment d‘Espelette
1 Stich Butter
Olivenöl
Die Zucchinischeiben eine Minute in sprudelndem, leicht gesalzenem Wasser blanchieren, dann mit kaltem Wasser abschrecken und trockentupfen. Den Ziegenkäse so dünn wie möglich scheibenweise aufschneiden und die Scheiben dann halbieren. Das klappt am besten, wenn der Käse noch kühl und die Klinge sehr scharf ist.
Nun eine kleine Auflaufform mit Butter auswischen und Zuchhini und Käsescheiben ziegelartig überlappend darin auslegen. Kräftig pfeffern, mit Piment bestreuen und mit wenig Olivenöl und Honig beträufeln. Im auf 250 Grad vorgeheizten Backofen 5 Minuten überbacken und noch kurz den Grill zuschalten, damit der Ziegenkäse etwas Farbe annimmt und die Aromen sich gut miteinander verbinden. Währenddessen die Mandelblättchen ohne Öl in der nicht zu heißen Pfanne goldgelb werden lassen. Sie dürfen keinesfalls verbrennen! Zum Schluss die Gratinform aus dem Ofen holen, mit den Mandeln bestreuen und servieren. Der salzige Ziegenkäse und der schwarze Pfeffer sollten geschmacklich den Ton angeben, der Honig und die Mandeln setzen einen zarten, süßlichen Kontrapunkt dazu. Viel Spaß damit. À bientôt!
p.s.: Frau Knauber liebt übrigens Amuse Geules. Ob es daran liegt, dass “klein aber oho” auch auf Frau Knauber selbst zutrifft? Eine andere offene Frage kann vielleicht beantwortet werden. Falls meinen bayerischen Leserinnen und Lesern etwas zum „Magentratzerl“ einfällt: Ich möchte wirklich wissen, ob es dieses Wort tatsächlich gibt!
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