Scheibenweise in den Süden
Jonathan, mein Patenkind, kam gestern in die Schule. „Der Ernst des Lebens“, ein dummer Erwachsenenspruch. Als er gerade laufen konnte, verbrachten wir, seine Eltern und eine kleine Gruppe Freunde mit ihren Kindern einen langen Sommermonat in der Provence. Dort hatten wir ein altes, etwas heruntergekommenes, aber wundervolles Herrenhaus gemietet. Das Anwesen hatte neben morbidem Charme auch einen weitläufigen Garten, eine von ausladenden Kastanien beschattete Zufahrtsallee und eine altmodische, aber hervorragend ausgestattete Küche. Comme il faut.
An jedem zweiten oder dritten Tag rumpelte in der weichen Nachmittagssonne ein alter Renault die bucklige Zufahrt herauf. Dann kam Monsieur Paul, der Gärtner und Hausmeister des Anwesens, um alles zu wässern und nach dem Rechten zu sehen. Tropfte ein Hahn, klemmte eine Tür, suchten wir den Sicherungskasten: Paul half. Aber sein Hauptthema, das war der Garten und das Gießen. Der alte, 40 Meter lange Schlauch hatte an seiner Spitze nicht etwa eine verstellbare High-end-Düse, sondern gar nichts. Und so regulierte Monsieur Paul den Wasserstrahl auf ausgeklügelte Weise durch seinen Daumen oder durch das Zusammendrücken des Schlauchs an der Öffnung. Auch aus sechs, sieben Metern Entfernung konnte ein gezielter Wasserstrahl in hohem Bogen sogar den Kräutergarten in der hinteren Ecke des Geländes erreichen. Es war ein Schauspiel.
Mein Patenkind war fasziniert. An den Tagen, an denen Monsieur Paul nicht da war, drängte mich Jonathan fortan, dass ich die Rosen wässern sollte und er mir dabei behilflich sein wollte. Und so schleppte er mir, ein rotes Hütchen auf dem Kopf, den schweren Schlauch hinterher. Mit Gesten und vielseitigem Vokabular („daaa“) zeigte er mir mit Nachdruck an, wo ich doch bitte gründlicher zu gießen hätte. Der sonnendurchflutete, riesige Garten, der Duft der Rosen und der kleine Junge mit dem roten Hütchen gehören zu den schönsten Erinnerungen jenes Sommers.
Und nun ist er schon in der Schule. Zum anschließenden Brunch nach der Aufnahmefeier steuerte ich neben zwei Ringen saarländischer Lyoner als kleinen kulinarischen Hinweis auf diese provencalischen Wochen auch eine Gemüseterrine bei. Sie wird kalt gegessen, ist perfekt als sommerliche Vorspeise, als Zwischengericht oder sogar als Beilage zu Gegrilltem an einem heißen Tag.
Da die Terrine über Nacht im Kühlschrank durchziehen soll, wird sie am Vortag zubereitet.
Provencalische Gemüseterrine
8 dicke Fleischtomaten, enthäutet, entkernt und geachtelt (grauenhafte Arbeit)
2 kleine Auberginen, gewaschen und längs in 5mm dicke Scheiben gehobelt
1 rote Zwiebel, gewürfelt
2 Zehen Knoblauch, fein gewürfelt
1 TL getrocknete Kräuter der Provence, fein gemörsert
2 handvoll Basilikumblätter
Piment d‘Espelette
weißer Pfeffer
Salz
Zucker
Basilikumöl
50 Gramm Agar Agar (ein pflanzliches Geliermittel)
Die Auberginen auf einem Backblech auf Backpapier auslegen, dünn mit Pflanzenöl bepinseln, leicht salzen und bei 220 in den vorgeheizten Backofen schieben (mittlere Schiene). Hier bleiben Sie, bis sie gar und bevor sie braun und zu Auberginenchips geworden sind. Danach beiseite stellen und abkühlen lassen. Jetzt bereiten wir die Terrinenform vor. Dafür schlagen wir sie komplett mit Klarsichtfolie aus, die großzügig überhängen darf. Den Boden legen wir mit Auberginenscheiben aus und auch seitlich stellen wir die Auberginenscheiben wie Zaunlatten an den Wänden entlang in die Form. Pause. Einen Ricard trinken. Eis, wenig Wasser. Und weiter.
Die Zwiebeln und den Knoblauch in einem großen Topf in Pflanzenöl andünsten, aber keinesfalls Farbe nehmen lassen. Unsere Terrine braucht keinerlei Röstaromen, sondern nur den prallen Gemüsegeschmack. Dann die Tomaten zugeben, etwas Zucker darüberstreuen und auf mittlerer Temperatur köcheln lassen. Immer wieder rühren, damit alles gleichmäßig gart. Jetzt die gemörserten Kräuter dazugeben. Nach einer knappen halben Stunde sind die Tomatenachtel teilweise zerfallen, in ihrer Struktur aber noch erkennbar. So brauchen wir sie. Nun salzen, pfeffern, Piment d‘Espelette zugeben, abschmecken. Es sollte jetzt ein intensiv-tomatiges Geschmackserlebnis voller südlicher Würze sein. Nun das Agar Agar darüberstreuen und noch einmal kurz aufkochen, sonst geliert es nicht.
Die Hitze abstellen, die Basilikumblätter grob hacken und unter die Tomatensauce heben. Ein Schuss Basilikumöl dazu. Dann füllen wir die leicht abgekühlte Tomatenmasse in die Terrinenform. Die Auberginen jetzt zur Mitte hin über der Tomatenmasse zusammenklappen. Auch die Klarsichtfolie nach Innen legen, so dass die Auberginen dicht abgedeckt sind. Schon nach wenigen Minuten wird die Terrine fester. Damit sie schön kompakt wird, muss die Masse jetzt von oben beschwert werden. Aber womit? Ich habe einfach zehn Messer aus der Besteckschublade darauf gelegt. Über Nacht ab in den Kühlschrank.
Vor dem Servieren wird die Terrine vorsichtig an der Frischhaltefolie aus der Form gezogen und von der Folie befreit. Da ist sie nun. In mitteldicke Scheiben aufschneiden und mit Basilikumpaste servieren. Das Ergebnis ist kühl, frisch, tomatig und würzig. Und es schaut interessant aus, mit der Auberginenhülle rundherum. So geht‘s scheibenweise in den Süden.
Die Schulfeier war ziemlich feierlich. Der Brunch war toll und die Erwachsenen mochten die Terrine sehr. Jonathan setzte einen etwas anderen kulinarischen Akzent. Abwechselnd schleckte er an seinem Lolli aus der Schultüte und ließ sich dann von mir immer wieder eine dicke Scheibe Lyoner abschneiden. So nett kann der Ernst des Lebens sein. À bientôt!
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