Rezept gegen Scheißtage
Einen Scheißtag gehabt und dann noch Kochen. Kennt ihr das auch? Tagesform ist beim Kochen so eine Sache, zumindest bei mir. Habe ich mich geärgert, zu wenig geschlafen oder Stress gehabt, geht auch in der Küche nicht viel. Da ich das weiß, mache ich an solchen Tagen keine großen Sprünge am Herd, sondern bleibe bei bewährten Gerichten, die ich schon sehr oft gemacht habe. Und selbst denen schmeckt man dann manchmal an, dass der Kopf beim Kochen woanders war. Dann ist zu viel Salz am Salat, die Sauce schmeckt irgendwie langweilig oder – das schlimmste – das Steak ist zu weit durchgegart oder noch völlig blutig.
Das war einer der Gründe, warum ich mir eines Tages ein Bratenthermometer geleistet habe. Inzwischen brauche ich keinen schlechten Tag, um das Wunderding zum Einsatz zu bringen. Anders als am Stück möchte ich bestimmte Fleischsorten gar nicht mehr zubereiten. Zum Beispiel Entrecôte am Stück! Saftiger und aromatischer geht kaum. Und mit etwas Erfahrung bringt man mit der richtigen Temperatur jedes Stück Fleisch perfekt auf den Tisch. Perfekt, das ist natürlich bei jedem anders. Frau Knauber und ich haben uns im Rahmen eines Staatsvertrages darauf geeinigt, dass beim Essen kein Blut über den Teller laufen sollte. Das heißt, dass ich das Fleisch bei 59 Grad Kerntemperatur aus dem Ofen nehme und dann noch ein paar Minuten entspannen lasse. Den Aufschrei der Rare-Puristen kann ich jetzt bis hierher hören. Egal. Dieser Tage, ich war irgendwie nicht besonders gut drauf, gab es nach dieser Methode ein 500-Gramm-Stück vom Kalbsentrecôte. Mit Röstzwiebeln, Karottengemüse und Kalbsjus. Da kann man nicht viel falsch machen, auch wenn der Fuß beim Aufstehen vielleicht der Falsche war.
(2 Personen)
500 g Kalbsentrecôte, am Stück
800 ml Kalbsfond
60 ml Sahne
2 mittelgroße Zwiebeln, in nicht zu feine Ringe gehobelt
4 dicke Karotten, geachtelt und 2 1/2 Minuten in Salzwasser blanchiert
Butter
Fleur de Sel
schwarzer Pfeffer
weißer Pfeffer
150 ml Pflanzenöl
Das Entrecôte salzen und pfeffern. Bitte? Ja, ich würze vor (!) dem Anbraten. Und wieder jaulen jetzt die Puristen auf, weil man das ja erst danach machen soll, wie oft zu lesen ist. Klarstellung: Als ich vor Jahren einmal die Ehre hatte, mit Drei-Sterne-Koch Hans-Stefan Steinheuer gemeinsam am Herd zu stehen, stellte ich fest, dass er es genauso macht. Er könne es nicht erklären, hätte aber den klaren Eindruck, dass die Kruste beim Anbraten dann besser, eben krustiger wird, antwortete er mir auf meine Frage danach. Sehe ich auch so, und da ich jetzt einen super Kronzeugen dafür habe, geht’s nun weiter. Wir braten also das Kalb scharf, aber nicht zu scharf anderthalb Minuten von beiden Seiten an. Dann bei 120 Grad (vorgeheizt!) in einer Auflaufform auf der mittleren Schiene des Backofens platzieren und an zentraler Stelle des Fleischbrockens den Temperaturfühler einstechen. Mein Lieblingskoch Franzl hat mir mal verraten, dass er nach 10 Minuten das Fleischstück im Backofen wendet. So verteilt sich der in den unteren Teil des Fleisches gewanderte Saft wieder im ganzen Stück, es läuft später beim Anschneiden nicht so viel davon heraus, es schmeckt dann auch deutlich besser.
Währenddessen koche ich den Fond auf die Menge eines Kaffeepotts herunter, gebe einen Blubb Sahne dazu, etwas reduzieren, Salz und schwarzer Pfeffer dazu und gut is. An diesem Punkt könnte natürlich mit wenig Aufwand noch eine Senf- oder Grüne-Pfeffer-Sauce draus werden, aber Komplexität wollen wir heute nicht, denn wir sind ja – remember – nicht besonders gut drauf. Die Zwiebelringe frittieren wir in Öl schwimmend in der Pfanne bis zur gewünschten Farbe und entfetten sie dann auf Küchenpapier. Das ist der jetzt wirklich einzige Vorgang in diesem Rezept, bei dem wir ganz bei der Sache sein müssen, denn zwischen kross frittiert und grauenhaft verkohlt liegen hier unter Umständen nur 20 oder 30 Sekunden.
Nun noch die Karottensticks in Butter schwenken, in der zuvor ein halber Löffel Zucker aufgelöst wurde. Noch mit etwas Salz und weißem Pfeffer abschmecken. Ende. Das Ergebnis ist ein saftiges Stück Kalbsentrecôte, garniert mit knusprigen Röstzwiebeln und dazu eine höchst intensive Sauce. Und ein Gericht, das schnell gemacht ist, wenig Optionen für grobe Fehler bietet und dem man die Tagesform nicht anmerken wird. Ich verspreche euch sogar: Wenn ihr es gegessen habt und dazu ein schönes Glas Rotwein trinkt, ist auch der schlimmste Scheißtag vergessen. À bientôt!